Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
um einen Fluchtversuch handelte, aber es war noch zu früh, um eine sichere Aussage zu treffen.
Nein, er habe nicht vor zu erzählen, wer sich in dem Krankenwagen befunden hatte.
Alle fragten, ob es Hinde sei, woraufhin er stets auflegte. Merkwürdigerweise riefen sich nicht noch einmal an. Er erhob sich und ging zu Jenny, die auf einem der Besuchersessel saß. Sie hatte eine Tasse Kaffee und ein Sandwich aus der Kantine bekommen und nicht einmal die Hälfte davon gegessen. Was für ein Hochzeitstag. Aber sie würden ein anderes Mal nachfeiern.
Hauptsache, sie waren zusammen. Eine derartige Berg- und Talfahrt seiner Gefühle hatte er noch nie erlebt. Aber bisher hatte er sich tapfer geschlagen und würde es auch weiterhin tun. Das Schlimmste war überstanden.
«Wie geht es dir?» Er ging vor ihr in die Hocke und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
«Ich sitze hier und mache mir so meine Gedanken.»
«Ja, das kann ich gut verstehen …» Haraldsson nahm ihre Hand und drückte sie. «Vielleicht musst du später mit jemandem darüber sprechen, was passiert ist. Jemandem vom Fach, meine ich.»
Jenny nickte abwesend.
«Liebling?»
«Ja?»
«Woher wusstest du, wo ich war?»
Haraldsson erstarrte.
Vielleicht war das Schlimmste doch noch nicht überstanden.
E r war früher nach Hause gekommen als verabredet. Als er am Östermalmstorg vorbeigekommen war, war ihm eingefallen, dass er Ellinor versprochen hatte, für den Abend einzukaufen. Wahrscheinlich hatte ihn der Mann mit den Einkaufstüten, der gerade vor ihm lief, daran erinnert. Erst wollte er einfach darauf pfeifen. Ein Abendessen mit Ellinor und einem unbekannten Nachbarn kam ihm völlig absurd vor – wie ein Puzzleteil, das unmöglich in sein Leben hineinpassen wollte. Aber sosehr er auch versuchte, es zu vergessen, es biss sich doch immer wieder fest.
Diese Einfachheit hatte etwas sehr Befreiendes. Eine Einkaufsliste und ein Korb, in den er das Essen legte. Zwischen den anderen Leuten zu stehen und einzukaufen, als wäre er ein ganz normaler Mensch. Als hätte er etwas, worauf er sich freuen könnte.
Er betrat die Markthalle und kaufte ein, wie er es nie zuvor getan hatte. Jemals. Rinderfilet, junge Kartoffeln, Gemüse, Obst und zehn verschiedene Käsesorten zum Dessert. Er probierte italienische Salami und Prosciutto, ehe er beschloss, beides zu kaufen. Nahm einen Bund Dill und ein Sträußchen Basilikum mit. Kaufte eine französische Pastete, die einfach göttlich schmeckte, und einen exklusiven französischen Kaffee, der vor Ort frisch gemahlen wurde. Er wollte gar nicht mehr aufhören mit dem Einkaufen. All diese Geschmackssorten waren Möglichkeiten von etwas, das er nie zuvor erlebt hatte. Als er die Markthalle verlassen hatte, kam er am Systembolaget vorbei und kaufte Champagner, Weißwein, Rotwein, Whisky und Cognac. Eigentlich wollte er auch noch einen gut gelagerten Portwein kaufen, aber er hatte nicht mehr genug Hände und Plastiktüten. Auf dem Weg nach Hause musste er mehrmals anhalten und die Tüten abstellen, um nichts fallen zu lassen, weil seine Hände von dem Gewicht taub waren.
Ellinor kam herbeigesprungen und umarmte ihn, bevor er die Tüten abstellen konnte. Ihre Freude darüber, ihn zu sehen, war unwiderstehlich. Er schmiegte sich in ihre Arme. Sie roch gut. Ihr rotes Haar war weich, und ihre Lippen an seinem Mund waren noch viel weicher. Er drückte sie fest an sich, wollte einfach nur in ihr und ihrem befreienden Kichern verschwinden. So standen sie lange im Flur. Sie löste die Umarmung zuerst, ließ jedoch ihre Hand auf seinem Nacken ruhen. Dann betrachtete sie die Tüten auf dem Boden.
«Wie viel hast du eigentlich eingekauft?»
«Wahnsinnig viel. Ich habe mich nicht an die Liste gehalten.»
Sie stieß ein glückliches Lachen aus.
«Du bist ja verrückt!» Sie küsste ihn wieder auf den Mund. «Ich habe dich schon den ganzen Tag vermisst.»
«Ich habe dich auch vermisst.» Und das war nicht einmal gelogen, wie er im selben Moment feststellte. Vielleicht hatte er nicht sie persönlich vermisst. Nein, das auf keinen Fall. Aber die Richtung, in die sie ihn zog. Die hatte er lange vermisst. Sie trug einen Teil der Tüten in die Küche, er blieb stehen und sah ihr nach. Er hatte ein Gefühl, als wäre er plötzlich auf ein Nebengleis geraten, und wollte nie wieder auf die Hauptstrecke zurückkehren. Niemals.
Sie kam zurück und lächelte ihn an.
«Wie schön du eingekauft hast!»
«Danke.»
«Sollen wir
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