Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
allem, was passiert war, wollte sie zurzeit rund um die Uhr erreichbar sein. Erst überlegte sie, es einfach zu ignorieren. Sie hatte sich gerade in den richtigen Atemrhythmus eingefunden, zweimal kurz einatmen, einmal lang aus, und wollte ihn gern beibehalten. Allerdings könnte es Billy sein. Vielleicht hatte er es sich anders überlegt und wollte doch mir ihr joggen. Das wäre der perfekte Abschluss dieses Tages. Sie blieb stehen und holte ihr Handy heraus. Sah den Namen auf dem Display. Eine Handynummer, die sie längst löschen wollte.
Sebastian Bergman.
Sie steckte das Handy wieder ein.
Er konnte anrufen, so viel er wollte.
Sie würde nie ans Telefon gehen.
Sebastian versuchte Vanja dreimal hintereinander zu erreichen. Zweimal ging sie nicht ran, das dritte Mal drückte sie ihn weg.
Ellinor kam wieder mit ihrem Champagnerglas aus der Küche. Sah ihn liebevoll an. Wollte sich versöhnen.
«Wollen wir weitermachen?»
Anstelle einer Antwort ging er einfach zur Tür und verließ die Wohnung, ohne sich noch einmal umzusehen. Er knallte ihr die Tür so energisch vor der Nase zu, dass es in dem leeren Treppenhaus widerhallte. Jetzt war er wieder allein in der richtigen Welt. In der sich auch Edward Hinde befand – auf freiem Fuß.
Während er die Treppe hinunterlief, rief er Torkel an. Ausnahmsweise ging er direkt ans Telefon, aber sein Ton war nicht gerade freundlich.
«Was willst du denn jetzt schon wieder?»
Sebastian blieb auf der Treppe stehen.
«Hör mir jetzt gut zu, Torkel. Hinde ist geflohen.»
«Was erzählst du da?»
«Du musst mir vertrauen. Ich glaube, er hat es auf Vanja abgesehen.»
«Warum sollte er? Und warum glaubst du, er wäre geflohen?»
Sebastian spürte, wie der Frust in rasendem Tempo in ihm hochstieg. Und in seinem Nacken saß die Panik und wartete nur darauf, ihn in Stücke zu reißen, aber er hielt sie in Schach. Er musste professionell klingen. Nicht panisch, denn dann würde Torkel ihm nie glauben. Und das musste er. Hier konnte jede Minute wichtig sein.
«Ich glaube nicht, dass er geflohen ist. Ich weiß es. Ich habe in Lövhaga angerufen. Hast du einen Fernseher in der Nähe?»
«Ja.»
«Guck mal im Videotext nach. Dort müsste es stehen. Nach einem Krankentransport von Lövhaga wird ein Rettungswagen vermisst. Das war Hinde.»
Der Ernst in Sebastians Stimme ließ Torkel nicht unbeeindruckt. Es lag eine Schärfe darin, gegen die er sich nur schwer wehren konnte. Er schaltete seinen Fernseher ein und wählte SVT1. Den Videotext. Die Nachricht stand ganz oben.
«Hier steht aber nicht, dass es Hinde ist.»
«Ruf diesen verdammten Idioten Haraldsson an, wenn du mir nicht glaubst.» Sebastian lief weiter treppab. Er brauchte das Gefühl, dass er irgendwo hinging, dass er etwas tat.
«Schon gut, ich glaube dir ja. Aber warum sollte er hinter Vanja her sein? Das verstehe ich nicht. Die anderen Morde waren doch gegen dich ganz persönlich gerichtet. Warum sollte er ausgerechnet hinter ihr her sein?»
Sebastian holte tief Luft. Jetzt waren sie an der Grenze, die er auf keinen Fall noch einmal überschreiten durfte, aber inzwischen schien es mehr und mehr unmöglich, die Hintergründe für sich zu behalten.
Sein Wissen.
Das, was Hinde mit größter Wahrscheinlichkeit auch wusste.
Die Wahrheit.
«Du musst mir einfach glauben», war alles, was er hervorbrachte. «Bitte, Torkel, glaub mir. Ruf sie an. Sie geht nicht ran, wenn sie meine Nummer sieht.»
«Warst du etwa mit ihr im Bett?» Torkels Stimme war voller Misstrauen.
«Bitte! Nein, verdammt! Aber ich habe es ihm angesehen, als er und Vanja sich begegneten. Sie hat irgendetwas in ihm geweckt. Ich war dabei. Er hat gesehen, dass wir Kollegen sind. Das reicht ihm.»
Torkel nickte vor sich hin. Ganz absurd klang das jedenfalls nicht. Und sie war obendrein mit Hinde allein gewesen, da hatte Sebastian recht.
Noch dazu war Vanja ziemlich vage geblieben, was die Details über das Gespräch anging, bei dem Hinde ihr Ralphs Namen gegeben hatte. Hatte ausweichend geantwortet.
Vielleicht hatte diese Situation doch ein größeres Risiko geborgen, als er geahnt hatte. Ein Risiko, das er auf keinen Fall hatte eingehen wollen.
«Ich rufe sie direkt an. Wir sehen uns im Präsidium», sagte er.
Dann wurde es still in der Leitung. Torkel hatte schon aufgelegt. Sebastian verließ das Haus und hielt fieberhaft nach einem Taxi Ausschau.
Vanja lief dabei die längste Steigung der Strecke hinauf. Sie verkürzte die Schritte,
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