Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
die schmutziggrauen Fenster sah, die zum Karlavägen hinausgingen. Draußen blockierte ein gemieteter Lastwagen von Statoil zwei Parkplätze. Zwei Typen um die dreißig versuchten, ein viel zu großes Klavier rauszuhieven. Sebastian beobachtete neugierig das Unterfangen, das er bereits nach wenigen Sekunden als unmöglich einstufte. Das Klavier war zu schwer, und die Jungs waren zu schmächtig. Eine einfache Rechenaufgabe.
Stefan war gerade zum 7-Eleven gelaufen, um Milch für den Kaffee zu holen, den er stets jedem anbot, und hatte Sebastian allein in seiner Praxis zurückgelassen. Sebastian schob die linke Gardine zur Seite, um einen freien Blick zu haben, setzte sich dann wieder in den großen Sessel und beobachtete wieder die beiden Typen bei ihrem Versuch, das Klavier hinauszutragen. Dann lehnte er sich zurück und schloss die Augen.
Er fühlte sich beinahe erwartungsvoll. Vermutlich vor allem dessentwegen, was bald geschehen würde.
Die Rückkehr.
Der Augenblick, in dem Sebastian wieder die Kontrolle übernehmen und brutal zurückschlagen würde. Er öffnete die Augen wieder und verfolgte erneut für einen kurzen Moment das Klavierabenteuer. Es war ein wenig in Stocken geraten, da die beiden Typen stehen geblieben waren und anscheinend gerade diskutierten, ob und wie sie weiter vorgehen sollten. Sebastian verlor das Interesse und griff nach der aktuellen Ausgabe der Dagens Nyheter , die vor ihm auf dem Tisch lag.
Im Ausland war irgendetwas passiert.
Im Inland etwas anderes.
Eigentlich interessierte es ihn wenig, er suchte nur eine Beschäftigung.
Sein Blick fiel auf die Schnittblumen auf dem Tisch. Das Arrangement war so typisch Stefan. Eine aktuelle Dagens Nyheter und frische Schnittblumen. Frischer Kaffee mit Milch. Stefan lebte im Hier und Jetzt. Als wäre jeder Tag von Bedeutung.
Wenige Minuten später hörte Sebastian, wie die Haustür geöffnet wurde, und in der nächsten Sekunde tauchte Stefan mit einer Packung fettarmer Milch in der Hand auf. Sebastian legte die fast ungelesene Zeitung vor sich hin und begrüßte ihn mit einem Nicken.
«Du willst doch Kaffee, oder?», fragte Stefan, während er auf die Maschine zustapfte.
«Nachdem du extra losgegangen bist, um Milch zu holen, trau ich mich jetzt nicht, nein zu sagen.»
«Du traust dich doch immer, nein zu sagen», sagte Stefan lächelnd.
Sebastian lächelte auch. «Dann sage ich nein.»
Stefan nickte und schenkte sich selbst eine Tasse ein. Öffnete die neugekaufte Milchpackung und goss einen Schluck dazu.
«Es ist noch nicht lange her, dass du zuletzt hier warst», sagte er, während er den etwas zu vollen Kaffeebecher zu seinem Sessel balancierte.
«Ich weiß.»
«Du siehst glücklich aus. Ist irgendwas passiert?»
«Nein, was sollte denn passiert sein?» Sebastian lachte so entwaffnend wie möglich. Er wollte sich den Triumph möglichst lange aufsparen.
«Ich weiß nicht, ist nur so ein Gefühl.» Er stellte den Becher auf dem Tisch mit den Schnittblumen ab und setzte sich. Dann wurde es für einige Sekunden still. Sebastian spürte, dass es an der Zeit war, mit dem Erzählen anzufangen. «Heute habe ich Vanja getroffen.»
Stefan wirkte eher müde als überrascht. «Ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, dass du sie nicht mehr kontaktierst. Und was hat sie gesagt?»
«‹Was zum Teufel macht der hier.›»
Stefan schüttelte den Kopf. «Du hast es versprochen.»
«Es war nicht so, wie du denkst. Ich habe mich um einen Job beworben.»
«Und wo?»
«Bei der Reichsmordkommission.»
«Was für ein Zufall …»
«Jetzt komm schon. Du hast doch gesagt, dass ich mir etwas suchen soll, und jetzt will ich wieder arbeiten, ich muss Struktur in mein Leben bringen. Da hast du ganz recht. Aber es muss eine interessante Arbeit sein. Etwas, was mich herausfordert.»
«Aha. Also im Gegensatz zu dem Abend, den du gestern durchleiden musstest?»
Sebastian antwortete nicht, sondern sah zum wiederholten Mal aus dem Fenster. Die Typen hatten sich hingesetzt und rauchten. Das Klavier stand unangetastet daneben.
«Gruppengespräche funktionieren viel besser, wenn man sich daran beteiligt», fuhr Stefan fort. «Du weißt doch, wie man ein sogenanntes Gespräch führt.»
Sebastian sah Stefan mit einem ehrlichen Blick an. «Das ist einfach nicht mein Ding, das hab ich dir doch gesagt. Meine Güte, die wollten ja gar nicht mehr damit aufhören, über ihre banalen Probleme zu quatschen. Wie hältst du das bloß aus?»
«Man gewöhnt sich
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