Die Frauen von Bramble House
Geburtsschein braucht. Und es wird schwer sein für sie, einen anständigen Mann zu kriegen, der sie heiratet.«
»Aber vielleicht will sie ja gar nicht heiraten. Ich will bestimmt keinen heiraten. Verstehst du, Mam? Ich will nicht, nie!«
»Red nicht solchen Unsinn, Kind.« Lizzie wandte ihr den Rücken zu und wies auf die Garderobe. »Also los, zieh deinen Mantel an und setz den Hut auf.«
»Ich mache es nicht, Mam. Verstehst du, ich will nicht!«
Lizzie wandte sich nun wieder sehr langsam um und sah ihrer Tochter in das bleiche Gesicht und in die weit aufgerissenen Augen. Ruhig sagte sie: »Du weißt nicht, was du sagst. Du hast noch nicht einmal richtig zu leben angefangen. Du hast einen Vorgeschmack bekommen von etwas, das in ganz kurzer Zeit für dich eine Lust und Qual sein wird, und ohne Ehemann wirst du es nicht haben können, außer du willst als Schlampe leben und ehrlos herumhuren. Also, halt deinen Mund, Mädchen!« Ihre Stimme war schrill geworden, und sie fügte im Befehlston hinzu: »Schluß jetzt mit dem Gerede! Du ziehst dich jetzt an und kommst runter!«
»Ich … ich will aber nicht. Ich geh jetzt und rede mit der Uromi, sie wird bestimmt …«
»Ha!« Lizzie stand unter der Tür, den Griff fest in der Hand. Sie warf ihrer Tochter einen betrübten Blick zu und sagte kläglich: »Deine Urgroßmutter ist ja vielleicht ausgekochter als die Zeitungen vom nächsten Jahr, aber wenn irgendwie Respektabilität und Familienehre ins Spiel kommt, dann laß mich dir nur das sagen: Sie steht deinem Vater kein bißchen nach. Wenn du’s schon hören willst, es ist ihr ausdrücklicher Wunsch, daß du heiratest, und zwar so rasch wie möglich.«
»Das gibt’s doch nicht! Sie kann doch nicht … nicht meine Uroma!«
»Doch, deine Uroma! Aber geh ruhig und sprich mit ihr.« Sie warf den Kopf zur Seite. »Ich halte dich nicht auf. Ich will bloß nicht, daß du deine Meinung über sie radikal ändern mußt, wo du doch immer sagst, sie ist so modern … Und jetzt, Schluß damit.« Sie senkte die Stimme. »Du mußt einfach mit dem Jungen reden. Wenn nicht, dann tut es dein Vater, und du kannst dir ja denken, was dann passiert. Der hält sich doch momentan bloß zurück, weil ich ihm gesagt habe, was die Urahne denkt und daß er die Sache lieber mir überlassen soll …«
Sie waren die Treppe hinunter und schon halbwegs durch das Foyer, als Lizzies Mutter aus dem Eßzimmer kam. »Ach, also habe ich euch doch noch rechtzeitig erwischt. Ich hatte schon gefürchtet, ihr seid schon weg. Könntet ihr bei der Apotheke vorbeischauen und mir mein Rezept mitbringen? Momentchen, ich hole es.«
»Aber wir gehen gar nicht in die Richtung, Mutter.«
Victoria Pollock blieb wie angewurzelt stehen. Ihre Lippen waren zu einem bösen, schmalen Strich zusammengepreßt und sie stemmte die Hände in die Hüften wie immer, wenn sie verärgert war. »Keiner geht je in diese Richtung, wenn ich was brauche. Immer heißt es, Mutter dies, Mutter das, oder Victoria, mach dies, Victoria, mach das, aber wenn Victoria einmal was braucht, dann geht keiner in diese Richtung.«
Lizzie war stehengeblieben, gab ihrer Mutter aber keine Antwort; sie warf ihr nur einen schiefen Blick zu, dann schubste sie Peggy weiter auf die Haustür zu und trat hinter ihr hinaus und ging die drei Stufen zur Auffahrt hinunter, die zwischen Bäumen zum Haupttor führte, und registrierte beiläufig, daß Peter Boyle, der als Teilzeitgärtner für sie arbeitete, sich gerade auf sein Fahrrad schwang.
Sie blickte auf die Armbanduhr. Dreiviertel fünf, dabei hätte er doch bis fünf arbeiten sollen. Keine zufriedenstellende Arbeitskraft, dieser Mann; ganz und gar nicht wie der alte Herbert, der letztes Jahr gestorben war; der machte klaglos ständig Überstunden und verlangte nie Extralohn. Aber, was spielte das jetzt schon für eine Rolle? Was war überhaupt wichtig, außer der momentanen Katastrophe? Sie hatte keine Ahnung, wie sie diesen Leuten gegenübertreten sollte, auch nicht, wie deren Reaktionen sein würden. Wenn sie ihnen nur die Hälfte von dem ins Gesicht sagen würde, was die Großmutter geäußert hatte, würde man sie wahrscheinlich glatt aus dem Haus werfen. Es hatte sie ziemlich viel Überredung gekostet, die Großmutter davon abzuhalten, mit ihnen zu gehen.
Sie warf ihrer Tochter einen Seitenblick zu. Sie ging mit hocherhobenem Kopf und hatte jenen herausfordernden Ausdruck im Gesicht, jene Entschlossenheit, die sie sich in jüngster Zeit zu
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