Die Frauen von Bramble House
mich geheiratet … und mit dem Charlie wäre ich wirklich gern verheiratet.«
Plötzlich stieß May sie aus ihren Armen, hielt sie aber immer noch an den Schultern fest, ja sie schüttelte sie und zischte ihr ins Gesicht: »Sag so was nie wieder! Hast du mich verstanden, Mädchen? Sag so was nie wieder! Du bist eine verheiratete Frau, und Charlie, der hat sein eigenes Leben vor sich. Und ich möchte auch gern, daß er mal heiratet. Ich hätte gern Enkel von ihm. Und ich kann den Gedanken nicht ertragen, daß er sich verschenkt. Er ist sehr reif für seine Jahre. Und er denkt und fühlt sehr tief. Und deshalb sage ich dir, Mädchen, sag so was nie wieder. Und denk es nicht einmal. Du bist jetzt mit Andrew verheiratet, und das ist jetzt dein Leben. Ob im Auslegerhäuschen oder im Haupthaus, da ist jetzt dein Leben.«
»Ach, Tante May, es tut mir leid … tut mir wirklich so leid.« Noch nie hatte sie ihre Freundin dermaßen verärgert und erregt gesehen wie jetzt. »Ich … ich hab es doch nicht so gemeint, ich hab doch bloß gedacht …«
»Ich weiß, was du gedacht hast.« May klang nun wieder ruhiger. »Oh, ich weiß genau, was du gemeint hast, und niemand hätte sich mehr drüber gefreut als ich, wenn es dazu gekommen wäre. Aber es sollte nicht sein. Du hast jetzt dein Leben, er hat seins. Und eines Tages wird er ein berühmter Musiker sein. Das weiß ich. Er wird durch die ganze Welt reisen, genau wie Mr. Reynolds früher. Er hat großes Glück, daß ihn so ein Mann unterrichtet, denn Mr. Reynolds nimmt eigentlich keine Schüler an. Es ist wirklich eine große Chance für ihn, ich meine für Charlie, ein gutes, erfülltes Leben zu leben. Und jetzt, jetzt gehst du besser wieder nach Hause, Mädchen, und denkst darüber nach, was ich dir gesagt habe. Nicht nur, daß du vielleicht im Auslegerhäuschen bleiben solltest, sondern auch alles übrige, du weißt schon.«
Ja, sie wußte, was gemeint war. Sie wandte sich zum Gehen und stammelte noch einmal: »Es tut mir leid. Ehrlich, es tut mir leid.«
»Dazu besteht noch kein Grund. Und jetzt raus mit dir.«
Peggy trat in die Dämmerung hinaus. Aber in ihr sah es noch viel düsterer aus. Sie fühlte sich allein, ganz und gar verlassen, wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Sie war schon mitten im Wäldchen, und sie stieß ein erschrecktes Keuchen aus, als plötzlich zwischen den Bäumen die Gestalt vor ihr auftauchte. Sie strengte sich an, zu sehen, wer das war, dann sagte sie: »Oh! Charlie! Hast du mir einen Schreck eingejagt!«
»Ich werde nie heiraten. Hast du gehört, Peg? Ich heirate nie! Ich habe alles gehört. Meine Mutter wird enttäuscht sein. Aber solange ich zurückdenken kann, hab ich dich geliebt, und ich hab gewußt, das wird immer so sein. Du hast ihn geheiratet, schön, aber das ändert nichts daran, was ich für dich empfinde. Es macht es nur schlimmer. Mit einem hat meine Mutter aber recht. Ich werde eines Tages ein Musiker sein, und ein guter, wenn auch vielleicht nicht ganz so groß, wie sie sich das einbildet. Aber was dich betrifft, Peg, ich werde immer dasein für dich. Und … danke, danke für das, was du gesagt hast.«
»Oh! Ach, Charlie, das hätte ich nicht …«
Es war nicht ihre Absicht, als sie ihm entgegenstolperte, und auch er hatte nicht beabsichtigt, sie in seine Arme zu nehmen, aber es passierte eben, und ihre Lippen trafen sich plötzlich zu einem innigen Kuß. Dann stieß er sie von sich. »Ich werde so was nie wieder tun. Keine Angst. Ganz bestimmt nicht. Aber wenn du mich jemals brauchen solltest, ich bin da drüben. Ich weiß, daß mein Vater jahrelang auf meine Mutter gewartet hat. Ich kann das auch.«
»Nein. Nein, Charlie, sag so was nicht. Deine Mutter hat recht: Du mußt dein eigenes Leben haben. Du sollst heiraten. Du … du denkst dann vielleicht anders, sobald du verheiratet bist.«
»Wieso? Denkst du jetzt anders? Bist du anders?«
Sie zögerte. »In gewisser Weise schon; aber sonst, nein. An manchen Tagen habe ich Lust, einfach wieder in die Schule zu gehen, und dann wieder komme ich mir ganz erwachsen vor« – sie ließ den Kopf sinken –, »eben wie eine Frau, die bald Mutter sein wird. Also darum … Charlie, mach, was deine Mutter sagt, sie hat nämlich recht. Tantchen May hat fast immer recht. Und jetzt muß ich gehen.«
Er machte keinen Versuch, sich ihr wieder zu nähern, und er sagte auch nichts. Sie zögerte einen Augenblick und ging dann, eine Hand ausgestreckt, als müsse sie sich ihren Weg
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