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Die Frauen von Clare Valley

Die Frauen von Clare Valley

Titel: Die Frauen von Clare Valley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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gemacht hätte, hätte sie Lola doch nur einen Bruchteil ihrer Aufmerksamkeit schenken können.
    Lola wusste aus eigener Erfahrung, erst durch Jim, dann die Mädchen, dass man sich nicht wirklich auf anderes konzentrieren konnte, sobald man Kinder hatte. Sicher, nach außen hin führte man Gespräche, tauschte man Meinungen aus, doch innerlich war man ständig mit Sorgen, Erledigungen und Gedankenspielen beschäftigt. Elternschaft hieß Erschöpfung plus Euphorie, Sorge plus Zufriedenheit. Und aus diesem Grund zog es Mütter ganz automatisch zu anderen Müttern. Weil da zur Verständigung wenige Worte, falls überhaupt, genügten.
    Doch wenn Lola Bett um ihre Meinung gebeten hätte, hätte Bett sie in allem bestärkt. »Du kannst alles schaffen, wenn du es dir ernsthaft vornimmst, Lola.« Das Mantra, das Lola ihren Enkelinnen all die Jahre gepredigt hatte und nun auch an Ellen und ihre anderen Urenkel weitergab.
    Aber was konnten sich Menschen ihres Alters denn noch vornehmen? Wenn sie nicht nur Rasenbowling spielen oder in einem Altersheim versauern wollten? Wenn sie nicht nur in der Vergangenheit schwelgen, sondern nach vorne schauen, planen, hoffen wollten? Lola ging im Geiste eine Liste berühmter Menschen ihres Alters durch, die noch aktiv, noch voller Tatendrang waren. Clint Eastwood. Die Queen. Rupert Murdoch. Großartig. Nun wusste sie, was sie zu tun hatte: Filme drehen, Königin werden und ein Medienimperium führen.
    Plötzlich rief Margaret in Lolas Gedanken hinein: »Sie ist da!«
    Mist. Lola hatte auf Gnade in letzter Minute gehofft, einen Anruf, dass das Auto kaputt oder eine Leitung undicht sei. Leider nicht. »Komme«, seufzte sie.
    »Sie« war Mrs Kernaghan. Ihr Vorname lautete wohl Barbara, doch schon bei ihrem ersten Auftreten vor drei Monaten hatte sie deutlich gemacht, dass sie nicht »wie seinesgleichen« behandelt werden wolle. Sie hatte sich als Mrs Kernaghan vorgestellt, und dabei war es auch bei allen folgenden, vierzehntägigen Beiratstreffen geblieben.
    Lola hatte Mrs Kernaghan gleich, als sie den Laden betreten hatte, eingeschätzt. Lola war in ihrem Leben so oft umgezogen, sie konnte jeden Typus Neuankömmling sofort einsortieren. Sie sah, wer eine grundlegende Veränderung brauchte. Einen Neuanfang auf dem Land. Wer der typische Stadtmensch war, der nun der tumben Landbevölkerung mal zeigen würde, wo es langging. Viele vergaßen dabei, dass die Menschen vor Ort auch schon vorher gut zurechtgekommen waren und dies ebenso der Fall sein würde, wenn die Neulinge wieder weiterzogen.
    Mrs Kernaghan war eindeutig eine wüste Mischung aus all diesen Typen. Vor allem war es ihr gelungen, Lola gleich zu Beginn ihrer ersten gemeinsamen Beiratssitzung zu vergrätzen. Sie hatten zu fünft im Hinterzimmer getagt. Patricia hatte inoffiziell den Vorsitz inne und Mrs Kernaghan die Runde vorgestellt. Sie hatte allen huldvoll zugenickt, doch als Lola an die Reihe gekommen war, wurde sie mit einem geringschätzigen Lächeln bedacht und ostentativ von Kopf bis Fuß gemustert. »Große Güte«, hatte Mrs Kernaghan mit hochgezogenen Augenbrauen gesagt. »Gehen Sie im Anschluss auf einen Kostümball?«
    Irgendjemand – wahrscheinlich Kay – hatte laut nach Luft geschnappt. Margaret war gleich zu Lolas Verteidigung herbeigesprungen. »Das ist doch kein Kostüm. Lola kleidet sich immer so.«
    Was stimmte. Und dabei war Lolas Outfit an jenem Tag noch verhältnismäßig schlicht ausgefallen – pinkfarbener Hosenrock, silberne Riemchensandalen, ein Oberteil in Metallic-Blau, darüber ein schimmernder Bolero aus Silberlamee. Eine Blume im Haar. Eine dreireihige Kette aus farbigen Glasperlen, an den Ohren große Plastikgänseblümchen. Lola hatte es immer Spaß gemacht, sich so zu kleiden. Es hob ihre Stimmung und die ihrer Mitmenschen. Bestimmt belustigte es sie. Doch noch niemals hatte Lola öffentlich Kritik erfahren.
    Bei Mrs Kernaghans höhnischer Bemerkung hatte Lola an die vielen Kleingeister und Niedermacher denken müssen, die ihr in ihrem Leben begegnet waren: die Rabauken vom Schulhof, ihren Mann mit seinem Stichel-Stichel-Stichel vulgärer Beleidigungen, die Beamten, denen sie in ihren ersten Tagen als alleinerziehende Mutter und Geschäftsfrau ausgesetzt gewesen war. Die Hochmütigen. Die Pessimisten. Menschen, die ihr immer wieder signalisiert hatten: »Sie schaffen das nicht.« »So geht das aber nicht.« »Für wen halten Sie sich eigentlich?« Lola war immer bewusst höflich geblieben und

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