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Die Frauen von Clare Valley

Die Frauen von Clare Valley

Titel: Die Frauen von Clare Valley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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vor und gab ihrer Großmutter einen Kuss auf die gepuderte Wange. »Hallo, Lola«, sagte sie schon ruhiger. »Nochmals Entschuldigung, Lola.«
    »Hallo, Bett. Kein Problem, Bett«, flüsterte Lola zurück. »Was hast du denn mit Carrie vor? Nun will ich es wissen.«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Bett ebenfalls im Flüsterton. »Ihr die Windeln von Zachary und Yvette in den Rachen …« Sie brach ab. »Das wäre ja bloß eine Gelegenheit, mir zu stecken, dass ihr hochbegabtes Trio den Windeln in Rekordzeit entwachsen war.« Bett seufzte und fuhr sich durch die Locken. »Wie macht sie das bloß, Lola? Wieso bringt sie mich so leicht aus der Fassung? Sie muss gar nichts sagen, manchmal reicht ein Blick.«
    »Jahrelange Übung? Bett, wenn du dich mit Carrie nicht über Kindererziehung streiten würdest, hättet ihr ein anderes Thema. Das war mit euch schon immer so. Wie du glauben konntest, dass ihr euch durch die Kinder wieder näherkommen würdet, ist mir ein Rätsel. Sieh den Tatsachen ins Auge, Darling. Carrie wird dir immer Ratschläge erteilen, die du nicht hören willst, und wahrscheinlich machst du sie umgekehrt auch wahnsinnig. Das wird sich niemals ändern. Du musst dich damit abfinden.«
    Bett blinzelte erstaunt. »Mich damit abfinden?«
    »Ganz richtig. Ergib dich in dein Schicksal. Hör auf, zu jammern. Und noch wichtiger, hör auf, mich bei der Arbeit zu belästigen.«
    Auf Betts Gesicht erschien ein Lächeln. »Ach, was liebe ich diese mitfühlende, tröstende Seite an dir.«
    Lola zwinkerte ihr zu. »Und ich liebe alles an dir. Ich liebe es nur nicht, wenn du in Selbstmitleid badest. Welchen Grund hast du denn, unglücklich zu sein? Ist das Schlimmste nicht schon längst passiert? Haben wir uns nicht alle nach Annas Tod versprochen, glücklich und für unser Leben dankbar zu sein? Oder habe ich das geträumt?«
    »Das hast du nicht geträumt.« Zu Betts Bestürzung stiegen ihr die Tränen in die Augen. Schon die Erwähnung ihrer Schwester beschwor eine schmerzhafte Trauer. »Anna hätte sich nie so aufgeführt, oder? Sie hätte mich nie angerufen, um mir zu sagen, dass sie die viel bessere Mutter ist?«
    »Vermutlich nicht. Aber sie hätte dir vielleicht gesagt, dass du zu viel Wirbel machst, du Zwillinge und nicht Sechslinge hast. Und du hättest dich auch über sie beschwert. Du weißt, dass ich recht habe, also guck nicht so entsetzt. Was machst du überhaupt hier in der Stadt? Hast du die Zwillinge etwa allein gelassen? Jetzt reicht es. Ich werde dich wegen Kindesvernachlässigung verhaften lassen!« Lola runzelte die Stirn. »Bett, das hast du nicht wirklich? Oder sie im Auto gelassen? Es sind draußen vierzig Grad.«
    »Natürlich nicht. Sie sind zu Hause, in der Obhut meiner Nachbarin. Ich habe einen Termin.« Nicht einmal Lola wollte Bett die Wahrheit anvertrauen. »Einen Arzttermin, meine ich. Einen Check-up.«
    »Wann?«
    »Um drei.«
    »Na, dann solltest du dich sputen, sonst kommst du zu spät. Oder ich, wenn du nicht gleich verschwindest. Du bist nicht die Einzige, die gleich einen Termin hat.« Lola sah auf die Uhr. »In exakt fünf Minuten. Und ich bin noch nicht vorbereitet, daher musst du gehen, damit ich mich wenigstens kurz besinnen kann.«
    »Du bist vierundachtzig. Mit wem hast du denn einen Termin?«
    Lola zog eine sorgfältig gezupfte Augenbraue hoch. »Meinem Bestatter? Jetzt tu nicht so schockiert. Ich weiß doch, was du denkst. Aber nein, wir haben eine Beiratssitzung von unserem Wohltätigkeitsverein.«
    »Da wäre ich gern die Fliege an der Wand.«
    »Wärst du nicht. Glaub mir. Da geht es hässlich zu.« Lola strich ihrer Enkelin über die Wange. »Nun geh schon, Darling. Und sei bitte ein wenig fröhlicher. Und dankbarer. Und versuch mal, deine Schwester nicht zu sehr zu hassen. Nutz deine Energie für etwas Besseres.«
    Hinterher ging es Bett schon so viel besser, dass sie sich entschied, trotz der Hitze zu laufen. Lola hatte recht. Sie hatte in Selbstmitleid gebadet. Und wegen Carrie überreagiert. Sie war nur ein wenig erschöpft. Ein wenig sehr erschöpft. Na gut, vollkommen erschöpft. Vielleicht war das eigentliche Problem, dass sie nicht genügend Kontakt mit der Außenwelt hatte. Wie sehr hatte sie schon das kurze Gespräch mit Lola aufgebaut! Es war auch Daniel gegenüber unfair, hinter seinem Rücken Pläne zu schmieden und Termine zu machen, um den Wiedereinstieg in ihren Job zu besprechen. So hatten sie als Paar, als Eltern nicht entschieden. Sie konnte nicht

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