Die Frauen von Clare Valley
verhätschelten sie, als wäre sie ein niedliches, kleines Kätzchen. Matthew hatte etwas Solides an sich, in Wesen und Erscheinung, und vermutlich brauchte Carrie das. Doch er hatte nicht dieses Funkeln in den Augen wie Daniel. Trotzdem freute sich Lola immer, wenn er anrief. »Was kann ich für dich tun, mein Lieber?«
»Es geht um Carrie, Lola. Kann ich nach der Arbeit kurz bei dir vorbeikommen?«
Hing draußen ein Schild mit der Aufschrift: »Heute Eheberatung«? »Natürlich.«
Als Matthew eine halbe Stunde später eintraf, kam er gleich zur Sache. »Ich sorge mich um Carrie, Lola. Sie beschäftigt sich wieder zwanghaft mit Bett. Sie spricht unentwegt von ihr.«
» Wieder zwanghaft?«
Matthew rutschte unbehaglich hin und her. »Na ja, das war damals, vor ein paar Jahren. Als dieser Streit noch schwelte.«
»Deinetwegen? Natürlich, Darling. Wie konnte ich das bloß vergessen. Und du glaubst, das passiert gerade wieder? Bett ist wieder in dich verliebt?«
»Sie war nie in mich verliebt. Und das ist sie auch jetzt nicht. Lola, Carrie ist nicht mehr sie selbst. Das hat angefangen, als Bett die Zwillinge bekommen hat. Carrie ist nur noch launisch. Sie spricht die ganze Zeit von Bett, über ihre Kinder, unsere Kinder, wer was macht, was isst, wann schläft. Wer die bessere Mutter ist. Das Ganze hat sich zu einer Art Wettbewerb entwickelt, und ich weiß nicht, was ich dagegen tun soll. Sag du es mir, was soll ich tun?«
»Nichts.«
»Nichts?«
»Das ist eine Angelegenheit zwischen Bett und Carrie, Matthew. Wenn du dich einmischst, wird es nur noch schlimmer. Und was Carries Launen angeht, nun, auch das musst du wohl aushalten. Was willst du sonst noch tun? Du kochst doch schon an vier Abenden, oder?«
»Ich? Kochen?« Er blickte noch unbehaglicher drein. »Ich versuche es natürlich. Ich meine, ich schmeiß schon gelegentlich den Grill an, aber das war eigentlich immer Carries Ding.«
Immer Carries Ding?, dachte Lola. Die Familie zu ernähren? Sie ließ sich nicht beirren. »Aber du badest die Kinder jeden Abend, oder? Damit Carrie nach einem langen Tag mal eine Stunde Ruhe hat?«
Sein Schweigen und sein Gesichtsausdruck verrieten alles. Also hatte Carrie ihre Schwester angelogen. Doch dies war nicht der richtige Moment, um Matthew zur Einsicht zu bringen. Lola lächelte nur. »Im Ernst, Darling, ich würde mir nicht allzu viele Sorgen machen. Ihr habt drei Kinder unter fünf. Euer Leben wird in den nächsten Jahren wohl etwas chaotisch verlaufen. Da müsst ihr durch. Oh, und bring ihr hin und wieder ein paar Blumen mit. Aber nicht von der Tankstelle, sondern vom Floristen. Das wirkt immer Wunder. Am besten fängst du heute damit an. Braver Junge.«
Matthew war zur Tür hinauskomplimentiert und saß in seinem Auto, ehe er wusste, wie ihm geschah.
Lola hatte gehofft, die Planungen für ihre Weihnachtsgäste voranzutreiben. Doch offensichtlich gab es auch in ihrem direkten Umfeld vieles zu bedenken. Arme Bett, arme Carrie. Wer wollte in diesen Zeiten Mutter sein? All der Druck, von allen Seiten – die perfekte Ehefrau und Mutter, sie musste sich für Vollzeit oder Teilzeit oder gar keine Arbeit entscheiden, guten Gewissens soziale Kontakte pflegen, eines Sternekochs würdige Mahlzeiten zubereiten, das stilvoll ausgestattete Heim makellos sauber halten, und, nicht zu vergessen, den schnell verschlankten After-Baby-Body topmodisch kleiden. Kein Problem.
Absolut unmöglich. Lola versuchte, sich an ihre Erfahrungen als junge Mutter zu erinnern. Hatte sie damals einen solchen Druck durch andere Mütter gespürt? Falls ja, konnte sie sich nicht daran erinnern. Vielleicht hatte ihr geholfen, dass sie so oft umgezogen, dass sie nie lange genug an einem Ort geblieben war, um sich einer Gruppe Gleichgesinnter anzuschließen und sich diesem Druck auszuliefern. Heutzutage aber war er greifbar. Lola verfolgte die Entwicklung in Zeitungen und Magazinen, sah sie bei den jungen Gästen im Motel und den Kundinnen im Laden. Durch stilles Beobachten lernte eine alte Dame viel über die modernen Zeiten.
Es hatte keinen Sinn, ein solches Konkurrenzverhalten zu beklagen oder lauthals mehr Verständnis für die Mitmenschen einzufordern. Die menschliche Natur war nun einmal, wie sie war. Bett und Carrie waren das perfekte Beispiel. Wenn sie nicht darin wetteiferten, wer die bessere Mutter war, ging es um ihre Jobs, Häuser oder Ehemänner. Ihr Verhältnis war immer so gewesen. Lola hatte das schon in Kindertagen beobachtet.
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