Die Frauen von Clare Valley
die Klappe, hab ich gesagt.«
»Gott, und ich hab gedacht, mir geht’s scheiße.« Es war das erste Mal, dass Neil beinahe gelächelt hätte.
In dem Moment klopfte jemand an die Tür.
»Ist das für dich oder mich?«, fragte Neil.
»Polizei«, rief eine Stimme.
»Tut mir leid, Mann«, sagte Rick. »Ist für dich.«
Der Polizist und seine Kollegin waren noch eine Stunde später, als Neils Mutter eintraf, da. Sie hatte wohl jedes Tempolimit überschritten. Sie klopfte nicht an, sie kündigte sich überhaupt nicht an. Sie öffnete einfach die Tür, rannte gleich ins Zimmer und riss ihren Sohn mit der Wucht ihrer Umarmung fast vom Stuhl. »Nein, Neil. Tu es nicht. Bitte, tu es nicht. Wir lieben dich. Wir helfen dir. Wir kriegen das schon hin, das verspreche ich dir. Aber tu es nicht. Wir lösen das für dich. Wir tun, was nötig ist. Das verspreche ich dir.«
Zehn Minuten später ging die Haustür wieder auf. Es war Neils jüngere Schwester. Sie eilte zu ihrem Bruder, umarmte ihn, hielt ihn fest. Rick hatte sich zurückgezogen. Er war in die Küche gegangen und hatte versucht, nicht zu lauschen, als die Polizeibeamten Neil nach und nach die ganze Geschichte entlockten. So etwas taten sie wohl nicht zum ersten Mal. Sie fragten vorsichtig, verständnisvoll. Als Neil in Tränen ausgebrochen war, war Rick nach draußen gegangen. Dabei brauchte sein Freund keine Zeugen. Rick war erst wieder ins Haus gegangen, als die Polizistin an der Tür erschienen war und gefragt hatte, ob er einen Tee wolle.
Als Rick nun bei der Tür stand, sah Neil zu ihm herüber. Er war umringt von Menschen. Seine Mutter hatte seine Hand noch nicht einen Moment lang losgelassen. Seine Schwester berührte ihn liebevoll an der Schulter.
»Kommt etwa noch wer?«, fragte Neil. »Was hast du gemacht, Mann? Eine Leuchtrakete hochgeschickt?« Doch das klang überhaupt nicht ärgerlich.
Der Polizist stand auf. »Bei uns gibt’s eine Menge Leute, mit denen Sie reden können, Neil. Denken Sie daran. Sie sind damit nicht allein.«
»Da haben Sie verdammt recht«, sagte Neils Mutter. »Ich lasse ihn nie mehr allein.« Das war nicht scherzhaft gemeint, doch alle lachten.
Rick brachte die beiden Polizisten zur Tür. Mittlerweile kam er sich fast schon albern vor. Er wartete, bis sie draußen vor dem Haus standen. »Tut mir leid, falls das falscher Alarm war. Ich wusste nicht, was ich tun sollte.«
»Sie haben das Richtige getan.«
»Wird das wieder?«
»Er redet darüber. Und er weiß, dass es Menschen gibt, die ihn lieben. Das ist ein guter Anfang.«
Im Haus hatte sich nichts geändert. Neils Mutter saß noch immer dicht bei ihrem Sohn und hielt seine Hand. Seine Schwester wirkte, als hätte sie geweint, und hielt Neils andere Hand sehr fest. Zeit, sich zurückziehen.
»Ich verschwinde mal besser«, sagte Rick verlegen. »Einkaufen und so was alles.«
»Danke, Rick«, sagte Neils Mutter. Neils Schwester dankte ihm ebenfalls.
Neil blickte zu Boden. Rick glaubte nicht, dass er Neil noch sehen würde, wenn er wiederkam. Er hatte das Gefühl, dass sein Freund für eine Weile zu seiner Mum fahren würde. Bis Weihnachten, wenn nicht noch länger. Aber eines hatte er noch auf dem Herzen.
»Neil, tut mir leid, dass ich so einfach in dein Zimmer gegangen bin.«
Da sah Neil auf. Und schenkte seinem Freund ein Lächeln. Zum ersten Mal seit langer Zeit. »Mach dir deshalb keinen Kopf, Mann.«
Gäste 2 und 3
»Ich glaube, die Kamera steht noch nicht richtig, Liebling. Dreh sie mal ein bisschen mehr nach links. Genau. Das ist es.«
Helen setzte sich neben ihren Mann auf einen Stuhl. Kaum zu fassen, da waren sie, ganz klein, auf dem Monitor. Helen winkte in die winzige Kamera, die Helen auf dem Bildschirm winkte zurück. Auch Tony winkte. Sein Gegenstück winkte ebenfalls.
»Und was machen wir jetzt?«
Tony schaute auf die Instruktionen. »Hier steht, dass wir nur noch warten müssen, bis sie anrufen.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, wie sie da beide zugleich erscheinen wollen.«
»Das ist doch kein Zaubertrick, Helen. Das Ganze nennt sich Skypen.«
»Jetzt tu mal nicht so allwissend und überlegen. Als ob du je davon gehört hättest. Du kennst das doch auch erst durch Katie.« Sie gab ihm einen liebevollen Knuff. »Aber bist du sicher, dass wir nicht …«
Ein melodiöser Klingelton erklang, dann erschien ein weiteres kleines Fenster auf dem Bildschirm mit einem bewegten Bild darin.
»Das ist Liam!«, rief Helen. Ein weiterer Klingelton, ein
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