Die Frauen von Clare Valley
weiteres Fenster. »Katie, jetzt sehen wir auch dich!«
»Hi, Mum. Hi, Dad. Könnt ihr uns gut verstehen?«, fragte Liam mit hallender Stimme.
»Hallo, ihr alle. Kann sich jeder sehen und hören?«, fragte Katie, ebenso verzerrt.
Nach einigen Anläufen, bei denen niemand oder alle zugleich sprachen, fanden sie ihren Rhythmus. Helen konnte es nicht fassen. E-Mails waren schon unglaublich. Aber das hier! Da saß sie mit Tony in ihrem Wohnzimmer und sprach mit ihrer Tochter in London und ihrem Sohn in Barcelona, und alle waren sie gleichzeitig auf dem Bildschirm zu sehen.
Tony war ebenso verdutzt. Er winkte seinen Kindern unentwegt zu. Katie und Liam winkten jedes Mal zurück und lachten.
Liam machte dem Spaß schließlich ein Ende. »Wir wissen, dass du da bist, Dad. Wir sehen dich. Du brauchst nicht jedes Mal zu winken, wenn du etwas sagst.«
»Es ist einfach unglaublich «, wiederholte Helen. »Danke euch beiden.« Katie hatte schon vor einer Woche die Kamera samt Instruktionen für Skype geschickt, doch erst jetzt hatten Tony und Helen alles installiert. Vorher hatte sich Tony nicht dafür interessieren lassen. Katie hatte auch den Anruf organisiert und ihren Eltern gesagt, wann sie vor dem Rechner sitzen sollten.
»Und das kostet wirklich nichts?«, fragte Tony.
»Nicht einen Cent«, antwortete Liam.
Helen beugte sich vor und weidete sich am Anblick ihrer Kinder. Das war fast so gut, als wenn sie bei ihr wären. »Meint ihr, das ginge auch an Weihnachten? In unserem Motel gibt es bestimmt einen Computer für die Gäste. Kannst du deinen Laptop mit in dieses Landhaus nehmen, Katie? Würde das da funktionieren? Und du hast deinen sicher griffbereit, Liam. Es wäre so schön, wenn wir uns alle sehen könnten.«
»Das sollte schon irgendwie gehen, oder was meinst du, Liam?«, fragte Katie.
»Ich denke auch. Wir haben die Technologie.«
»Aber die brauchen wir gar nicht. Oder, Liam?«
»Nein, Katie, die brauchen wir nicht.« Sie kicherten. Sie redeten sich zu häufig mit dem Vornamen an und waren überhaupt zu förmlich.
»Andererseits – wir könnten trotzdem skypen. Auch wenn das ziemlich albern wäre, Liam, oder nicht?«
»Das wäre es gewiss, Katie, oder nicht?«
Helen war völlig verwirrt. »Was redet ihr zwei da?«
Katie grinste. »War ich am Telefon nicht deutlich genug? Das ganze Gerede darüber, wie schwer es sein würde, mich Weihnachten zu erreichen, und dass ihr auf meinen Anruf warten müsst? Hab ich je das Angebot ausgeschlagen, dass ihr für einen Anruf zahlt? Habt ihr nicht erraten, dass da was im Busch ist?«
»Habt ihr es noch immer nicht erraten?«, fragte Liam.
»Selbst schuld, wenn das nichts mehr mit der Überraschung wird«, fuhr Katie fort. »Ich weiß wirklich nicht, was in euch gefahren ist, dass ihr so aus der Rolle gefallen seid und spontan ein Motel gebucht habt. Seht doch nur, was wir alles anstellen mussten. Dabei solltet ihr an Heiligabend einen Anruf vom Flughafen bekommen.«
»Ich hoffe nur, das Motel erstattet euch das Geld noch. Obwohl wir natürlich auch gemeinsam fahren könnten.«
»Kommt nicht infrage, Liam«, sagte Katie. »Ich flieg doch nicht um die halbe Welt, um dann eine Woche lang in irgendeinem Loch auf dem Land zu hocken. Ich will in mein Bett und an Mums Herd.«
»Oh, ja! An Mums Herd und Dads Bierkühlschrank. Das klingt gut.«
Helen sah Tony an. Auch er schüttelte den Kopf. »Leute, bitte. Wovon redet ihr?«
»Mein Gott«, rief Katie. »Muss ich noch langsamer sprechen? Es noch schlichter formulieren? Mum, Dad, ihr könnt nicht über Weihnachten wegfahren, weil Liam und ich zu euch kommen. Wir treffen Heiligabend ein, mit verschiedenen Flügen, doch im Abstand von nur einer Stunde. Also würdet ihr bitte zum Flughafen fahren und uns abholen?
»Ihr kommt nach Hause ?«
»Hierher?«
»Alle beide?«
»Überraschung!«, sagte Katie.
»Überraschung!«, echote Liam. »Unsere Eltern sind echt schnell, was, Katie?«
»Kann man wohl sagen.«
Katie winkte wieder in die Kamera, machte erneut ihren Vater nach. »Und, ist das okay, Mum? Dad?«
Liam winkte nun ebenfalls in die Kamera. »Könnt ihr eure Reise absagen und uns stattdessen abholen?«
Helen spürte, wie Tony nach ihrer Hand griff. Sie sah zur Seite, in seinen Augen standen Tränen. Abermals war da dieses warme Gefühl für ihren Mann.
Katie fragte noch einmal. »Mum? Dad? Könnt ihr uns abholen?«
Helen drückte Tonys Hand. Anscheinend musste sie die Antwort geben. »Worauf ihr euch
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