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Die Frauen von Clare Valley

Die Frauen von Clare Valley

Titel: Die Frauen von Clare Valley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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nähe und sticke ich, und eine hervorragende Köchin bin ich auch. Und ich mache sehr gern Spielzeug. Die hier sind für meine Enkel.«
    »Sie haben Enkelkinder?«
    »Zwei Mädchen. Die Kinder meines Sohns. Leider lebt er mit seiner Familie in New York. Ich vermisse sie entsetzlich. Und sie mich. Wir würden Weihnachten natürlich gern gemeinsam feiern, und nächstes Jahr werden wir das auch. Bis dahin habe ich ihnen das gebastelt. Ich schicke es heute los.«
    »Darf ich einmal sehen?«
    Glenda reichte ihr die Figürchen eines nach dem anderen, eine liebevoll gemachte Menagerie farbenfroher Stricktiere – ein Koalabär, ein Känguru, ein Kaninchen, eine Giraffe, ein Elefant, ein Schnabeltier. Als Letztes kam ein Püppchen aus der Schachtel. Eine Frau mit grauem Baumwollhaar, Brille und breitem, rotem Filz-Grinsen. Martha sah auf die Puppe, zu Glenda, wieder auf die Puppe.
    »Das sind Sie, oder?«
    »Bin ich nicht niedlich?«, fragte Glenda, nahm Martha die Figuren ab und legte sie wieder in die Schachtel. »Wenn ich schon nicht selbst kommen kann, dann wenigstens mein Ebenbild.«
    »Warum fliegen Sie nicht nach New York?«
    »Nichts lieber als das. Leider plagt mich eine entsetzliche Flugangst.«
    In dem Moment hatte das Telefon geklingelt. Die Unterhaltung war an dem Punkt abgerissen. Aber Martha hatte verstanden, weshalb Glenda so von der Idee besessen war, ihre Chefin mit ihrer Familie zu vereinen. Eindeutig eine Projektion eigener Wünsche.
    Der Tag verging mit der üblichen raschen Abfolge von Meetings, E-Mails, Entscheidungen und Tabellen. Die Telefonkonferenz verlief sehr effizient und war um siebzehn Uhr siebenundfünfzig beendet. Martha machte sich in ihrem separaten Badezimmer kurz für ihren letzten Termin frisch. Großartig sah sie nicht aus, das war ihr bewusst. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen und musste dringend zum Frisör. Sie hatte für die folgende Woche schon einen Termin vereinbart. Martha legte rasch eine Schicht Make-up und einen Hauch blassrosa Lippenstift auf. Bei diesem Termin waren keine Statements nötig wie: »Ich bin eine erfolgreiche Geschäftsfrau, und das mit knallrotem Lippenstift.« Sie hatte die Gewerkschaftsvertreter schon oft getroffen, meist, wenn ihre Firma in die Zuständigkeit eines neuen Delegierten wechselte und dieser ein wenig die Muskeln spielen ließ. Sie würde sich alles anhören, sich Notizen machen – eigentlich könnte sie Glenda bitten, mit in das Treffen zu kommen und das zu übernehmen – und dann kühl, ruhig und deutlich daran erinnern, dass sie sich strikt an die Arbeitsgesetze hielt, immer schon und auch in Zukunft. Was stimmte. Sie ließ auch nie die Konkurrenz und deren Konditionen aus den Augen, um sicherzustellen, dass ihre Agentur marktführend blieb. »Hart, aber gerecht«, hatte ihr Mentor immer gesagt.
    Die Telefonanlage summte. Es war Glenda. »Es sind jetzt alle im Konferenzraum und warten auf Sie, Miss Kaminski.«
    »Danke, Glenda. Bin auf dem Weg. Und ich wollte Sie bitten, auch teilzunehmen und Protokoll zu führen.«
    »Es tut mir leid, das geht nicht.«
    »Wie bitte?«
    »Ich habe um achtzehn Uhr Feierabend, es sei denn, die Überstunden werden vorher vereinbart. So steht es in den Regeln der Agentur. Und eine Minute vorher ist nicht wirklich vorher. Ich bin sicher, Sie werden sich großartig schlagen. Einen schönen Feierabend. Bis morgen.«
    Martha kam aus dem Büro. Glendas Schreibtisch war schon aufgeräumt und ihre Handtasche fort. Auch egal. Wozu sich Notizen machen? Die Gewerkschaftsvertreter hatten sicher nichts zu sagen, was sie nicht schon kannte.
    Sie war im Aufzug ganz allein. Der Korridor auf der Etage darunter war ebenfalls leer. Die Tür zum Konferenzraum war geschlossen. Als Martha näher kam, roch es aus der angrenzenden Küche nach Essen. Zu derartigen Terminen wurden gewöhnlich Sandwiches und Kaffee bestellt. Doch es roch nach Bratkartoffeln und Plum Pudding. Hoffentlich hatte sich Glenda bei ihrem Telefonat mit dem Caterer nicht von der allgemeinen Weihnachtsstimmung anstecken lassen.
    Sie öffnete die Tür und trat in den Konferenzraum. »Ich danke Ihnen für Ihr Kommen. Ich will Ihre Zeit auch gar nicht lange beanspruchen.«
    Martha erstarrte. Rings um den polierten Konferenztisch saßen nicht etwa sechs Gewerkschaftsvertreter, sondern vier Personen: ihre Mutter, ihr Vater, ihr Bruder, ihre Schwester. Der Tisch war für fünf Personen gedeckt. Mit Sektgläsern. Festlichen Servietten. Sogar ein kleiner

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