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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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aus und riss sich zusammen. » Entschuldige. Ich weiß gar nicht … ich weiß gar nicht, was über mich gekommen ist. «
    » Ich bin es wirklich « , sagte Dovie mit ungewohnt angespannter Stimme.
    Sibyl rollte sich auf die Seite, die Wange wieder an den Samtstoff gedrückt, und warf blinzelnd einen Blick auf die jüngere Frau. » Aber natürlich bist du eine Schauspielerin « , sagte sie grinsend.
    Dovie musterte Sibyl einen Moment lang aus grünen, kühlen Augen. Dann brach auch sie in Gelächter aus. Beide hielten sich die Seiten und brüllten vor Lachen. Schließlich ebbte ihr Kichern in zwei lang gezogene Seufzer ab, und die beiden Frauen wurden wieder still, starrten ins Feuer, tauschten Blicke. Irgendwann in der vergangenen Stunde hatte sich Quincey offenbar zurückgezogen, sie allein gelassen. Immer noch glucksend vor Lachen beugte sich Dovie nach vorn, um einen Schluck Tee zu nehmen.
    » Ach, ich weiß, was ihr alle denkt « , meinte sie und antwortete damit auf eine unausgesprochene Bemerkung Sibyls. » Aber ich bin wirklich Schauspielerin. Hab damit damals in Kalifornien angefangen. Musicals. Dann bekam ich die Chance, mit einer Wandershow zu reisen. Wir haben den gesamten Mittelwesten bereist. Es ging alles gut, aber ich habe nie eine große Rolle bekommen. Bloß immer irgendwelche naiven Mädchen und andere Nebenrollen. Deshalb fing ich auch an hierherzukommen. «
    » Wie meinst du das? « , wollte Sibyl wissen.
    » Nun, wenn du dich auf eine Rolle vorbereitest, dann kann es hilfreich sein, um … « Sie legte eine Pause ein, suchte nach den richtigen Worten. Irgendetwas schien ihr durch den Kopf zu gehen, dann sagte sie schließlich: » Sich selbst zu vergessen. In sein Inneres vorzudringen, um nachzusehen, was noch alles dort ist. «
    » Was noch alles dort ist « , wiederholte Sibyl und ließ ihre Worte fast wie eine Frage klingen.
    » O Sibyl « , rief Dovie aus. » Was für unglaubliche Visionen man haben kann, wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat! Wie Coleridge. Oder wie dieser Engländer, der dieses Buch geschrieben hat, wie heißt er doch gleich? Ich habe festgestellt, es hat meine Fantasie beflügelt wie sonst nichts. Nie zuvor war ich … Das heißt, ich war immer eine glaubhafte Darstellerin gewesen, aber etwas fehlte, wenn ich versuchte … «
    Sie hielt frustriert inne, weil sie nicht ausdrücken konnte, was sie im Sinn hatte.
    » Wenn du hier bist, brauchst du gar keine eigene Fantasie, das meine ich. Du legst dich einfach zurück, und Bilder kommen zu dir, Dinge, die du dir nie hast träumen lassen. Einmal sah ich sogar, wie sich direkt in der Luft vor mir ein silberner Drache bildete, der Feuer spuckte und sich wie eine Schlange krümmte, bis er seinen eigenen Schwanz im Maul hatte. Dann drehte er sich immer schneller und schneller und verschwand schließlich mit einem lauten Knall, nur ein Rauchwölkchen blieb zurück. Danach wusste ich einen ganzen Tag lang nicht, wer ich eigentlich war. «
    Darüber dachte Sibyl einen Moment lang nach.
    » Aber das wäre doch nicht real « , sinnierte sie. » Nur etwas aus einem Traum. Dinge, die man irgendwo aufgeschnappt und dann wieder vergessen hat. «
    » Natürlich schadet es auch nicht, dass es sich toll anfühlt. « Bei diesen letzten Worten gab Dovie ein Stöhnen von sich und lehnte sich mit einem genüsslichen Seufzer auf ihrer Liege zurück. Sie lagen eine Weile da und lauschten dem Ticktack der Uhr und dem Grammophon, das immer langsamer wurde, der Stille, die von all den anderen reglosen Körpern im Raum ausging.
    Sibyl verschränkte die Finger über ihrer Leibesmitte und blickte versunken an die Decke. Schauspielerin. Davon bezahlte Dovie Whistler also ihr Zimmer in jener schrecklichen Pension. Nun, so gut konnte sie nicht sein. Ob erfolgreich oder nicht – wenn sich Dovie für eine Schauspielerin hielt, würde das auch erklären, warum sie so wandelbar wirkte. Sibyl fragte sich, ob dieses weltliche und doch so seltsam unschuldige Mädchen die wahre Dovie Whistler war. War das der gleiche Mensch, den Harlan sah, wenn er mit ihr in der Stadt herumscharwenzelte, wenn er mit ihr künstlerische Salons und was noch alles besuchte? Dieses blonde Persönchen von der Westküste, das an einem Frühlingsnachmittag inmitten des Trubels von Chinatown herumspazieren konnte, ohne aufzufallen? Und am Abend von Harlans Missgeschick, im Krankenhaus, hatte Dovie da die Rolle des besorgten Liebchens nur gespielt, eine gelungene Vorstellung mit all

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