Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
Vom Netzwerk:
Er zeigte auf Sibyl, die ganz züchtig und damenhaft dasaß, die Schultern zurückgenommen, als würde sie auf den Beginn einer Ballettaufführung warten. » Und so hat sie auch Ihren sogenannten mesmerischen Zustand erreicht! Und Sie bestärken sie noch darin! Ich kann es nicht fassen! Was für eine bodenlose Unverfrorenheit! «
    Er wandte sich Sibyl zu. » Ich schätze, Sie wissen, dass alles, was Sie in dieser Wahrsagerkugel zu sehen geglaubt haben, nichts anderes war als ein Fiebertraum, oder? Das machen nämlich alle Opiate – sie führen zu lebhaften Träumen. Genauso, wie wenn man Scharlach hat und deliriert. Es besteht überhaupt kein Grund dafür, dem irgendwelchen Glauben zu schenken. «
    Scharlach. Die Krankheit, der in Rom seine Frau erlegen war. Er hatte es nie erwähnt, hatte Lydia kein einziges Mal erwähnt. Der Bezugspunkt stand einfach im Raum.
    » Also, Professor Derby « , versuchte Professor Friend ihn zu beschwichtigen.
    » Und Sie? Bekümmert Sie das gar nicht? Wie kommt denn eine Frau wie sie überhaupt an Opium, frage ich Sie? Mit was für Leuten muss sie dafür in Kontakt treten? Sie haben nicht gesehen, was Abhängigkeit bei einem Menschen anrichten kann. Ich schon. «
    Er sprang auf und ging hinüber zu Friends Bücherregal, lehnte sich daran und stützte die Stirn an seinen Handrücken.
    » Die Leute werden nur noch zu Hüllen ihrer selbst, Sibyl « , sagte er, ohne sie anzublicken. » Sie verlieren ihre Menschlichkeit. Ich kann einfach nicht glauben, dass Sie mit diesen Dingen spielen. Ich werde das nicht hinnehmen. Und ganz gewiss nicht im Namen irgendeiner Pseudowissenschaft. Sie sind viel zu … Sie sind … « Hilflos in seiner Wut, sprach Benton nicht weiter. Seine Schultern bebten sichtlich unter dem Jackett, als wollten sie den Ärger abschütteln.
    » Sehen Sie. « Sie lächelte und wandte sich Professor Friend zu. » Er ist schrecklich aufgewühlt. «
    » Ja, ich sehe es, ich sehe es « , merkte Friend an und fuhr sich nachdenklich mit den Fingern durch den Schnurrbart. » Und ich muss sagen, Miss Allston, in gewisser Hinsicht hat er recht. Ich teile seine Besorgnis, was die Leute angeht, die Ihnen bei einem solchen Experiment begegnen könnten. Aber « , er wandte seinen kühlen Blick Benton zu, » in einem wichtigen Punkt bin ich nicht einer Meinung mit Professor Derby. Ich glaube nicht, dass Ihre Erfahrungen einen Gesetzesverstoß darstellen. Vielleicht liegt die Antwort ja in einer Veränderung des Ortes statt der Methode. «
    » Was für eine Anmaßung « , entgegnete Benton, immer noch am Buchregal, die Hände geballt in die Seiten gestützt.
    » Überlegen Sie doch mal, Benton « , meinte Professor Friend, den Bentons Ausbruch offenbar mit Überdruss erfüllte. » An sich ist gegen Opiate wenig einzuwenden. Deshalb gibt es ja auch diese Regelungen, was ihre Verbreitung angeht. Besser, man verhindert, dass skrupellose Ärzte nur um des Geldes willen Abhängige schaffen. Aber das bedeutet noch nicht, dass Miss Allston notwendigerweise ihre Gesundheit aufs Spiel setzt. «
    » Das stimmt, Ben « , pflichtete Sibyl ihm bei. » Papa zum Beispiel nimmt jeden Tag Laudanum gegen sein Rheuma. Es ist in dem Tonikum, das wir ihm verabreichen und das der Doktor ihm verschreibt. Er nimmt es seit Jahren. Und es ist alles ganz natürlich. «
    Benton wanderte brummelnd in dem schmalen Büro auf und ab wie ein Panther im Käfig. Sibyl schaute den Philosophen an, der sich in seinen Schreibtischstuhl zurücklehnte, immer noch mit den Fingern durch seinen Schnurrbart fuhr und sie beobachtete.
    Schließlich blieb Benton stehen. » Na gut, ich verstehe, dass es nur eine Möglichkeit gibt, euch beide davon zu überzeugen, dass das alles verrückt ist. «
    » Was meinen Sie? « , fragte Sibyl und drehte sich in ihrem Stuhl zu ihm um.
    » Wir besuchen diese Dee « , verkündete Benton. » Dann werdet ihr sehen. «
    » Sie besuchen! « , rief Sibyl entsetzt.
    » Das ist eine ausgezeichnete Idee « , sagte Professor Friend und stand auf. » Aber wir müssen sofort los. Morgen breche ich nach New York auf. «
    » Sofort? « , wiederholte Sibyl, die Augen vor Panik weit aufgerissen.
    » Sofort « , bekräftigte Benton, trat auf sie zu, streckte eine Hand aus und half ihr auf die Füße.

ACHTZEHN
    E i ne schier unendliche Zeitspanne war vergangen, seit Benton geläutet hatte, und Sibyl trat noch weiter hinter seine wuchtige Gestalt, als könnte sie sich einfach in Luft auflösen und verschwinden. Sie

Weitere Kostenlose Bücher