Die Frauen von der Beacon Street
Hand. » Miss Allston hat schon den ganzen Tag einen leichten Husten. Nichts Ernstes, aber ich bin mir sicher, sie macht sich Gedanken, das könnte sie ablenken. Mrs Dee, gewiss haben Sie doch einen Hustensaft zur Hand? «
Das Medium hob die Augenbrauen und winkte den Butler mit einer beiläufigen Geste zu sich. » Ach, ich hatte ja gar keine Ahnung, dass sie sich nicht wohlfühlt. Sie sehen recht blass aus, Miss Allston. « An den Butler gerichtet, sagte sie: » Bringen Sie doch bitte ein paar von den Tropfen, die ich im Medizinschränkchen aufbewahre. «
» Gerne, Madam. « Der Butler neigte fügsam den Kopf.
Während sie auf seine Rückkehr warteten, lehnte sich Professor Friend in seinem Stuhl zurück und fuhr sich nachdenklich mit den Fingern durch den Schnurrbart, so wie es seine Gewohnheit zu sein schien, wenn ihn eine faszinierende Frage beschäftigte. » Nun, Mrs Dee « , begann er. » Sie sind doch bestimmt mit der Arbeit der Seybert Commission vertraut. «
» Professor Friend, richtig? Ich fürchte nein. Doch sicher verstehen Sie, dass mein Wunsch nach Ungestörtheit mich von einer willentlichen Einmischung in irgendeine Form von Kontroverse abhält. «
» Aber natürlich. Die Seybert Commission « , Edwin beugte sich vor und stützte sich auf seine Ellbogen, » wurde vor einigen Jahren an der Universität von Pennsylvania gegründet. Es war eine der ersten universitätsgestützten Forschungsinstitutionen für spiritistische Phänomene. Basierend darauf bin ich sehr gespannt zu sehen, wie Sie Ihre Tätigkeit als Medium strukturieren. Benutzen Sie denn zum Beispiel Schiefertafeln zum Schreiben? «
» O nein « , erwiderte Mrs Dee entrüstet, als fände sie allein den Gedanken schockierend. » Nein, ich habe feststellen können, dass die Geister, die so freundlich sind, unsere Zusammenkünfte zu besuchen, keiner solcher Salontricks bedürfen. «
Professor Friend pflichtete ihr mit einem Nicken bei.
» Nein, meistens werden wir mit Manifestationen visueller Art beschenkt « , fuhr Mrs Dee fort. » Mit Bildern oder auch Stimmen. Ich bin mir sicher, das hat Ihnen Miss Allston erzählt. Gelegentlich hebt sich ein Tisch deutlich vom Boden ab. Und ab und zu haben wir auch eine starke physikalische Manifestation, die durch ektoplasmische Kondensation hervorgerufen wird. «
Sibyl glaubte zu hören, wie Benton hinter seinem hastig gehobenen Taschentuch ein verächtliches Schnauben zu verbergen suchte.
» Das Wasser « , flüsterte sie und wandte sich an Mrs Dee. » An jenem Abend. Als wir meine Mutter erreichten. Und als der Tisch mit eiskaltem Wasser überflutet wurde. « Sibyl schlang bei der Erinnerung fröstelnd die Arme um sich selbst.
» Ja, richtig « , sagte die kleine Frau. Ihre Stimme klang sanft und heiter.
Sibyl spürte Bentons Blick auf sich ruhen. Seine Miene war besorgt.
» Faszinierend « , meinte Professor Friend. » Und welche Struktur sollen wir an diesem Abend befolgen? «
» Nun « , entgegnete das Medium langsam. » Natürlich bin ich sehr auf Sibyls Wohlbefinden bedacht. Und ich würde mir gerne persönlich ihre neu entdeckten Talente anschauen. Sicher wollen die Herren das auch. «
In diesem Moment trat der Butler mit einem Tablett ein, auf dem sich eine mit einem Korken verschlossene Flasche, ein Sherryglas aus geschliffenem Kristall sowie ein silberner Teelöffel befanden. Er trug das Tablett um den Tisch herum und stellte alles vor Sibyl hin.
Sie blickte Benton verwirrt an und flüsterte: » Aber ich verstehe nicht … «
» Vertrauen Sie mir « , murmelte er.
Sibyl nahm die Flasche zur Hand und sah, dass auf dem Etikett » Pekman’s Preferred Cherry Cough Elixier « stand. Darunter war eine lächelnde junge Frau mit schweren Lidern und einem Lockenkopf abgebildet, der mit rosa Lotusblättern geschmückt war. Versprochen wurde: sofortige Linderung bei Husten, Schmerzen, Rheumatismus, Erschöpfung, Nervosität, Wassersucht, Fieber und Gürtelrose – was mit Zitaten von mehreren Ärzten belegt wurde, die die Wirksamkeit des Tonikums bescheinigten. Mrs Dee gab vier Teelöffel davon in das Sherryglas.
Die Flüssigkeit war von einem dunklen Rotbraun und roch unangenehm. Ganz und gar nicht nach Kirschen. Sibyl hob das Glas, warf Benton noch einmal einen langen Blick zu. Er nickte ihr aufmunternd zu. Sibyl legte den Kopf in den Nacken und schluckte das Elixier, das jedoch so sehr nach Chemie schmeckte, dass sie tief Luft holen und husten musste.
» Meine Güte! « , rief Mrs
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