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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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gebildet hatte. Jeder versuchte, das Gesicht des anderen, zu einer animalischen Fratze verzerrt, mit der Hand wegzuschieben.
    Johnnys Zunge hing ihm aus dem Mund, in einer grotesken Perversion einer Maske aus der griechischen Tragödie, und langsam erschlafften seine Glieder. Dann warf sich die dritte Gestalt auf die Streithähne, etwas blitzte auf, ein großer roter Fleck breitete sich auf dem Hemd des größeren Mannes aus, und die Hände um Johnnys Hals lockerten sich. Befreit fiel Johnny zu Boden, hustend und nach Luft ringend.
    Durch das Zoetrop von Johnnys Teeglas fiel die größere Gestalt auf die Knie, die Arme überrascht um die Leibesmitte gelegt. Mit jedem Schwenken des Glases veränderte sich das Gesicht des Mannes, wie durch ein Kaleidoskop betrachtet. Der dritte Mann beugte sich über ihn, und Lannie konnte sehen, dass dieser schwer atmete, mit gesenktem Kopf, die Hände in die Seiten gestützt. Beide Hände des dritten Mannes waren rot befleckt, und an seiner Seite in der locker baumelnden Hand hielt er ein kurzes Messer, von dem Blut tropfte.
    » Johnny « , hob Lannie überrascht an. Die Szene war wie eine Version dessen, was im Bordell vorgefallen war, doch die Zeit war eine ganz andere, und der Kampf ging ebenfalls anders aus. Er verstand nicht. Empfand er einfach nur die Angst aus dem früheren Kampf, bei dem Tom ihm einen Zahn ausgeschlagen hatte?
    » Verbring nicht zu viel Zeit mit dem Pfeifentraum « , ermahnte ihn der Student. » Du könntest es nicht mehr zurückschaffen. «
    Doch Lannie sagte nichts. Tief in den sich wandelnden Umrissen der Teeblätter, in jener seltsamen Traumwelt, die die Droge in seinem inneren Auge gewoben hatte, hatte der dritte Mann den anderen Arm gehoben, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, und sich umgedreht. Jetzt konnte Lannie sein Gesicht klar erkennen.
    » O mein Gott « , flüsterte Lannie. » Das bin ich. «

ZWANZIG
    Back Bay, Boston, Massachusetts
    30. April 1915
    S chh! Sie kommt jeden Moment zurück « , flüsterte Dovie, wand sich aus Harlans Umarmung und rollte von ihm weg. Harlan grinste und griff pantomimisch ins Leere.
    » Nein, wird sie nicht « , beharrte er. » Komm schon. Nur noch eine Minute. «
    » Sie kommt gleich « , wiederholte Dovie und sah ihn in gespieltem Tadel an. Dann drehte sie ihm den Rücken zu, schaute in seinen Kommodenspiegel und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. » Ich habe sie schon vor einer Stunde zurückerwartet. Ist komisch, dass sie immer noch nicht da ist. «
    Harlan stützte sich auf einen Ellbogen und beobachtete wohlgefällig die flinken Bewegungen ihrer schlanken Arme, als sie sich mit der Fingerspitze über die Lippen rubbelte, damit sie rot wurden. Die Knitterfältchen in ihrem muschelfarbenen Hängerchen betonten die Konturen ihres wohlgeformten Körpers, die schlanken, jungenhaften Hüften und schmalen Schultern. Sie sah wie ein junges Vögelchen aus mit ihrem zerzausten Haar, der flaumigen Haut und den knochigen Beinen. Kurz raubte ihm eine köstliche, beinahe schmerzliche Welle der Zuneigung, die über ihn hinwegschwappte, den Atem, und er lächelte sie liebevoll an. Sie betrachtete sich noch immer im Spiegel, doch dann begegneten sich ihre Blicke. Und sie erwiderte das Lächeln.
    » Oh, wen kümmert es überhaupt, was sie denkt « , sagte Harlan. Er streckte die Hand aus und erwischte einen Zipfel von ihrem Kleid.
    » Mich « , erwiderte Dovie und drehte sich zu ihm um. Der Saum des Hemdchens schlang sich dabei um ihre Beine und wurde straff wie eine Bogensehne. Er zog daran, verfolgte genüsslich, wie sich die Seide über der Hand spannte. » Zu mir war sie wirklich nett, weißt du. «
    » Natürlich ist sie nett zu dir « , sagte Harlan mit einem lässigen Grinsen auf dem Gesicht. » Du bist wunderbar. «
    » Ich meine es ernst « , sagte Dovie, während er sie mit dem Saum in der Hand zu sich heranzog. Ihre Schienbeine trafen auf die Kante seines Flechtbetts, und sie richtete sich auf, stand auf den Knien über ihm, ließ die Hände an den Seiten herabbaumeln. » Ich weiß, alle denken, es war meine Schuld. «
    » Was, das hier? « Harlan strich sich mit der freien Hand über die Bandage an seinen Rippen. » Ach, die haben keine Ahnung. «
    » Doch, haben sie « , konterte sie und schaute auf ihn hinab. Das Gesicht, das sie machte, war ihr echtes ernstes Gesicht, nicht das gespielte. » Die denken, ich bin irgendso ein Freudenmädchen, und dass mein Zuhälter dich zusammengeschlagen hat.

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