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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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die im Speisezimmer den Tisch deckte, Kerzen anzündete und Blumen arrangierte. Eigentlich hätte Sibyl Betty in der Küche Bescheid sagen müssen, dass Benton zum Essen bleiben würde. Und vielleicht auch, dass Harlans Anwesenheit bei Tisch keineswegs sicher war.
    Während Sibyl durch den Salon schritt, bedrängten sie diese kleinen Pflichten der Haushaltsführung in einer Weise, die ebenso lästig wie tröstlich war. Über dem Kamin schien das gemalte Konterfei der jugendlichen Helen, wie immer in seinen Zweifeln erstarrt, jeder von Sibyls Bewegungen mit seinen gepinselten Augen zu folgen. Sibyl schaute ernst zum Bild ihrer Mutter empor und fühlte sich seltsam traurig und wütend zugleich. Mit gereizter Miene ließ sie sich auf den Sitz am Fenster fallen und saß mit verschränkten Armen da, ohne Benton eines Blickes zu würdigen.
    » Sibyl « , sagte dieser nun, der ihr auf Schritt und Tritt gefolgt war. » Sie dürfen nicht denken, dass ich Sie nicht respektiere. Und Sie dürfen auch nicht meinen, dass ich dem, was Sie sagen, keinen Glauben schenke. Bitte. Sie sind von jemandem getäuscht worden, dem Sie vertraut hatten. «
    Sie blickte ihn mit offenem Trotz an. » Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich das sonst aufnehmen soll. Sie sagen, ich täusche mich, und dass ich das, von dem ich sehr wohl weiß, dass ich es gesehen habe, gar nicht gesehen habe. Ich bin nicht verrückt, Ben. Aber ich weiß, ich kann es nicht in einer Weise erklären, die Sie überzeugen wird. Deshalb hat es auch keinen Sinn, weiter darüber zu diskutieren. «
    Er ließ sich behutsam auf den Sitz am Fenster gegenüber von ihr sinken, stützte die Ellbogen auf die Knie und faltete die Hände. » Ich bin derjenige, der außerstande ist, etwas zu erklären. « Er hielt inne, suchte nach Blickkontakt, doch sie wich ihm aus. » Lassen Sie uns bitte sehen, ob ich es besser kann. Werden Sie mir bitte wenigstens zuhören? Bitte. «
    Sibyl spürte, wie ihr Widerstand dahinschmolz. So oft hatte sie Benton noch nie am Stück » bitte « sagen hören. Im Allgemeinen war er viel zu störrisch, um so beflissen zu sein. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu, um zu erraten, was genau er vorhatte, doch der genügte. Lächelnd sah er ihr in die Augen und beugte sich näher heran. Aus den Tiefen des kleinen Salons war das träge Krächzen von Baiji zu hören, der sie daran zu erinnern schien, dass er Zeuge ihrer Unterredung war.
    » Na gut « , sagte sie nachgiebig. » Aber es wird Ihnen nicht gelingen, mich zu überzeugen. Ich habe begriffen, dass ich mich in Mrs Dee getäuscht habe, na gut. Aber sie ist nicht der erste Mensch, in dem ich mich getäuscht habe, oder? Finden Sie nicht, dass ich mir schon dumm genug vorkomme? «
    Eine schmerzliche Miene legte sich auf Bentons Gesicht. » Das brauchen Sie nicht « , erwiderte er mit leiser Stimme. » Ich hatte nie vor … «
    » Es gefällt mir ganz und gar nicht, dass ich einen Narren aus mir gemacht habe « , flüsterte Sibyl, doch ihr leiser Tonfall zeigte nur deutlich, wie tief ihre Wut saß.
    » Natürlich nicht. « Eine Hand wanderte vorsichtig in ihre Richtung und legte sich auf Sibyls Knie.
    » So « , sagte sie und spürte den Druck dieser Berührung. Ihr Zorn ebbte ab. » Dann erklären Sie es mir doch. Sagen Sie mir, wie es sein kann, dass ich etwas nicht gesehen habe, von dem ich genau weiß, dass ich es gesehen habe. «
    Benton schöpfte tief Luft. » Ich versuche es. Aber lassen Sie uns zunächst betrachten, was Sie genau gesehen haben. Was war es? «
    » Sie wissen, was es war « , gab Sibyl irritiert zurück. » Ich sah den Ozean und den Nachthimmel. Und dann sah ich den Ozeandampfer. Als ich besser in Übung war, konnte ich mich auf dem Schiff bewegen und in den Speisesaal schauen. Ich suchte nach Mutter und nach Eulah, und während ich herumschaute, passierte etwas mit dem Schiff. Alle fingen an zu laufen, und das Schiff geriet in Schieflage. Doch statt sie zu finden, sah ich auf einmal Professor Friend. «
    » Genau « , erwiderte Benton. » Und jetzt vergessen Sie mal einen Moment diese Vision. Haben Sie schon einmal die Erfahrung gemacht, dass Sie an jemanden denken, kurz bevor Sie ins Bett gehen, und dann von ihm träumen? «
    » Schätze schon « , antwortete Sibyl nachdenklich. » Obwohl ich mich im Allgemeinen nicht an meine Träume erinnere. «
    Währenddessen hörte sie ein fernes Krachen aus der oberen Etage. Sie blickte nach oben. Dann wandte Sibyl ihre Aufmerksamkeit wieder Benton

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