Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
Vom Netzwerk:
Mrs Doherty, während sie ihr den Hut reichte. Die Frau nahm ihn mit einem Schnauben mütterlicher Missbilligung entgegen und klopfte mit ein paar kräftigen Handkantenschlägen den Staub heraus.
    » Hab Ihre Nachrichten in den Salon gelegt « , sagte Mrs Doherty. » Eine ist vom belgischen Hilfskomitee, und dann sind Sie als Gastgeberin mit dem Nähzirkel an der Reihe, sagt Mrs Drew. Möchten Sie, dass sie sich um die Blumenarrangements und alles Weitere kümmert? Und Sie sollen sie unbedingt zurückrufen. «
    Sibyl ließ die Schultern hängen. Natürlich wollte sich Mrs Drew um die Blumenarrangements kümmern. Sie wollte sich immer um alles kümmern. Und warum konnte sie eigentlich nicht gleich selbst Gastgeberin des Zirkels sein?, fragte sich Sibyl, was sie sich immer fragte, wenn es um Mrs Drew und den Nähzirkel anging.
    » Danke « , erwiderte Sibyl.
    Die Haushälterin gab ihr mit einem tadelnden Blick zu verstehen, dass andere Damen ihres Standes üblicherweise ein Dienstmädchen beschäftigten, das sich um ihre gesellschaftlichen Termine kümmerte, statt die Haushälterin den ganzen Tag damit aufzuhalten, Telefonate entgegenzunehmen. Das war ein Disput, den sie schon lange führten und von dem Sibyl wusste, dass sie eines Tages einlenken würde.
    » Mr Allston ist zu Hause, nehme ich an? « , erkundigte sich Sibyl und versuchte, einen befehlsgewohnten Ton anzuschlagen.
    » Ja, ist er « , sagte die Haushälterin über ihre Schulter hinweg. Es trat eine Pause ein, in der mit Anweisungen gerechnet wurde. » Ich schätze, Sie werden zuerst den jungen Mr Allston sehen wollen. «
    » Wie bitte? « , fragte Sibyl.
    » Der junge Mr Allston ist zu Hause, schon seit etwa zwei Stunden. «
    » Harlan? Er ist hier? « Sibyl lenkte den Blick nach oben, als könnten dadurch die Schichten Holz und Gips, die sie von ihrem Bruder trennten, durchsichtig werden und ihr bestätigen, dass die unerwartete Nachricht der Wahrheit entsprach. Ihr Mund verzog sich zu einem nervösen Lächeln. » Aber was kann denn bloß passiert sein? Er wurde doch nicht vor Juni zurückerwartet. «
    Mrs Doherty verzog keine Miene. Sie stand vor Sibyl, den Mantel und den Hut über dem Arm. Irgendwo in den Augen der Dienstbotin stand auch so etwas wie Mitgefühl, was sie sich jedoch kaum anmerken ließ.
    » Keine Bange. Wir haben das Bett frisch bezogen. Aber das Mädchen möchte wissen, wie viel Zeit es hat, um das Abendessen herzurichten. « Mrs Doherty bezeichnete die Köchin aus Gründen, die Sibyl ziemlich schleierhaft waren, immer als » Mädchen « .
    » Das Bett macht mir keine Sorge « , sagte Sibyl, ohne nachzudenken. Sie sagte immer mehr, als sie eigentlich sollte. Die Haushälterin schwieg, und in diesem Schweigen lag Zustimmung. Sibyl sah sie an, doch das schmale Gesicht der Frau verriet nichts – keinerlei erhellende Einzelheiten über die Tatsache, dass ihr Bruder einfach vor ihrer Tür gestanden hatte, unangekündigt, ohne telefonische Vorwarnung, ungeladen, mitten in der Woche.
    » Dann gehen Sie sicher in der Küche vorbei « , sagte Mrs Doherty in dem neutralen Ton, der gleichzeitig eine Feststellung wie eine Aufforderung war.
    Sibyl nahm das Gesagte zur Kenntnis und setzte erneut die Miene einer Frau auf, die sich nicht beirren lässt.
    » Ich bin mir sicher, Betty hat das alles im Griff « , entgegnete sie mit einem entschlossenen Schritt in den Flur, als wolle sie andeuten, dass sie längst von Harlans Kommen gewusst, es geplant und die Speisefolge mit der Küche abgesprochen hatte, und wenn sie es versäumt hatte, die Haushälterin davon in Kenntnis zu setzen, so sei das ihr gutes Recht als Hausherrin.
    » Ja, Madam. « Der eisige Kommentar folgte ihr bis hinaus in die Dunkelheit. Mrs Doherty wusste es besser.
    Sibyl eilte in die Küche, weil sie beschlossen hatte, das am leichtesten zu lösende Problem zuerst anzupacken. Sie stieß eine schwere Tür auf und wurde vom köstlichen Duft eines Brathähnchens willkommen geheißen. Durch die leckeren Küchendämpfe hindurch, die aufgrund von schwebenden Mehlpartikeln und dem Gaslicht über dem Arbeitstisch ganz milchig waren, beobachtete Sibyl Betty Gallagher, die ihr den Rücken im gestreiften Küchenkittel zukehrte und gerade eines der gelegentlich im Haus beschäftigten Dienstmädchen ausschimpfte, welches versuchte, die Kanten eines durchgeweicht aussehenden Pies umzubiegen.
    Zu Sibyls Unbehagen war Betty genauso alt wie sie. Sie war fülliger als Sibyl und hatte eine rötliche

Weitere Kostenlose Bücher