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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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und legte den Kopf in die Hände. Dabei nahm sie wahr, dass Benton in Dovies Stuhl Platz nahm und die Hände auf die Knie legte. Wie immer wanderte ihr Blick fasziniert zu den kleinen Härchen auf seinen Fingerknöcheln. Seine ganze Haltung war steifer als sonst, und er hatte die Knie so fest gepackt, als ringe er um Fassung.
    » Sibyl « , begann er. » Ich muss Ihnen etwas sagen, das mir sehr schwerfällt. Die Lusitania … «
    Sie lehnte sich zurück und ließ mit einem Seufzer die Hände sinken. » Was für eine Tragödie « , sagte sie und blickte ihn an. » Obwohl es mich ein wenig überrascht, dass Harlan es so schwer nimmt. Was steckt nur dahinter? «
    » Ja « , meinte Benton unsicher. » Genau. Da gibt es nämlich noch etwas anderes. Das Harlan nicht weiß. « Er senkte den Blick, knetete die Hände.
    » Wieso? Was denn? « , erkundigte sie sich.
    » Es ist … Ich weiß gar nicht, wie ich es Ihnen sagen soll « , stammelte er. Benton verstummte, und Sibyl wartete. Das einzige Geräusch im Haus war das stete Ticken der Uhr auf dem Kaminsims.
    Dann hielt es Sibyl nicht mehr aus. » Benton, ich wünschte, Sie würden mir endlich sagen, worum es geht « , fing sie an, doch in genau diesem Moment begann auch er zu sprechen. » Erzählen Sie mir doch noch einmal, was in dieser Vision vorkam, die Sie immer wieder haben. «
    » Wie bitte? « , fragte sie konfus.
    Er richtete seinen stählernen Blick auf sie, und sie sah, dass seine Augen hinter der Brille wässrig und rot unterlaufen waren. Sie runzelte fragend die Stirn.
    » Diese Vision « , wiederholte er, und seine Stimme brach fast. » Die Sie schon öfter hatten, die von unserem Besuch bei Mrs Dee. Könnten Sie mir die noch einmal schildern? «
    » Nun « , entgegnete sie, unsicher, was er eigentlich von ihr wollte. » Es beginnt damit, dass ich über die Oberfläche des Ozeans schwebe. «
    Benton nickte, drängte sie fortzufahren.
    » Und dann erblicke ich den Ozeandampfer. Mein Blick wandert über die Reling, und dann bewege ich mich mitten unter den Menschen, die an Bord sind. Ich suche nach meiner Mutter und meiner Schwester. Aber dann – geschieht es. Das Schiff fängt an unterzugehen. Bevor ich sie finde. Menschen laufen umher und schreien. Und manchmal, ganz am Ende, ist Professor Friend in der Menschenmenge. «
    Benton ließ den Kopf hängen, blickte auf seine Hände hinab. » Genau. Ja. Und zu welcher Tageszeit ist das? « , fragte er.
    » Tageszeit? « , wiederholte sie. » Nun – das ist das Seltsame daran. Als ich damit angefangen habe, war es Nacht. Spät, aber noch früh genug, dass die Leute noch wach waren. Bei den letzten Malen jedoch war es helllichter Tag. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, warum das so war, aber es war einfach so. Allmählich begann ich zu glauben, dass Sie recht haben. «
    » Aha. Und Sie haben nie Ihre Schwester und Mutter gefunden? Kein einziges Mal? «
    » Nein. « Sibyl senkte die Stimme zu einem Flüstern. Ihre dunklen Brauen zogen sich über den Augen zusammen. Sie beugte sich vor, bis sie seinen sanften Atem auf ihrem Gesicht spüren konnte. » Warum, Ben? Warum stellen Sie mir all diese Fragen? «
    » Sibyl « , sagte er, und ihre Blicke begegneten sich. » Um welche Tageszeit sank die Titanic ? «
    Sie dachte einen Moment lang nach. » Nun « , erwiderte sie, » ich bin mir nicht sicher. Aber ich glaube, in der Zeitung stand, dass das Schiff kurz vor Mitternacht den Eisberg gerammt hat. Und dann ist es « , sie musste kurz innehalten und schlucken, » gesunken. Innerhalb von ein paar Stunden. Jedenfalls vor Sonnenaufgang. Warum? «
    Er nickte, blickte forschend in ihr Gesicht. » Nur so. Und nur interessehalber: Warum glauben Sie denn, dass sich die Tageszeit verändert hat? « , fragte er. » In Ihrer Vision. Wenn es die Titanic war, die Sie gesehen haben, hätte sich dann das Ganze nicht mitten in der Nacht abspielen sollen? «
    Ein vages Unbehagen breitete sich in Sibyls Magengegend aus, und ihre Augen weiteten sich. Sie spürte, wie sich dieselbe Schwindel erregende Übelkeit ihrer bemächtigte, die sie oft hatte, wenn sie zu wenig aß. Am Rande ihres Bewusstseins begann sich eine dunkle, ölige Schwärze zu drehen, und sie musste sich an den Armlehnen festhalten, um nicht ohnmächtig zu werden. » Ben « , keuchte sie. » Was sagen Sie da? «
    Benton richtete seinen Blick auf Sibyl, schien sie förmlich durchdringen zu wollen, als könnte er, wenn er nur genau genug schaute, erkennen, welche

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