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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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sichtbar.
    » Na gut « , sagte sie. » Dann nehmen Sie doch Platz. «
    Er hockte sich ganz vorne auf die Kante des Stuhls, als hätte eine bequemere Position darauf schließen lassen, dass er sich auf unziemliche Weise an dem Ort wohlfühlte, an dem er sich gerade befand. Sie setzte sich ihm gegenüber und fuhr sich dabei, ohne sich dessen bewusst zu sein, durchs Haar.
    » Was ist denn? « , fragte sie.
    Er blickte sich um, als könnte ihm irgendetwas an der Inneneinrichtung sagen, wie er am besten beginnen sollte. » Ich habe mich gefragt, wie viel Sie eigentlich wussten. Von Edwins Reiseplänen. «
    » Wie bitte? « , fragte Sibyl perplex.
    » Edwin hat uns doch von seiner bevorstehenden Reise erzählt. Was wussten Sie genau darüber? «
    Sibyls dunkle Augenbrauen zogen sich finster zusammen. » Überhaupt nichts « , erwiderte sie.
    » Sie wussten also nicht, dass er nach Übersee fahren wollte. Auf einem Dampfer. «
    » Nein, ich habe nur mit ihm gesprochen, als Sie dabei waren. Seine genauen Pläne hat er uns damals nicht mitgeteilt. Oder doch? Ich glaube nicht. «
    » Das dachte ich mir auch. « Ben legte einen Finger an die Schläfe und starrte ins Feuer.
    » Warum fragen Sie mich das? «
    Er zögerte, rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. » Ich weiß nicht. Etwas an der Geschichte stört mich, aber ich kann es nicht genau benennen. «
    » Der arme Edwin « , sagte sie grübelnd. Wieder sah sie das Gesicht des jungen Professors vor sich, ein Bild, das sich immer wieder vor ihre Gedanken schob wie ein Vorhang. Sibyl griff nach der Zeitung auf dem Beistelltisch und überflog die letzten Meldungen über das, was genau auf dem Schiff passiert war.
    » Kann das denn stimmen? « , erkundigte sie sich mit Blick auf die Schlagzeilen. Die Druckerschwärze war so frisch, dass sie sich vom Papier löste und ihre Finger schwarz verfärbte, während sie weiterblätterte. » Man weiß nicht, wie viele Torpedos es waren? «
    » Nein, das weiß man nicht. Manchen Berichten zufolge müssen es zwei gewesen sein, da das Schiff zu groß und leistungsfähig war, um von nur einem nachhaltig zerstört zu werden. «
    Sibyl saß mit aufgerissenen Augen da und dachte an das Schlussbild ihrer Vision zurück, das sie in den vergangenen Wochen Tag für Tag, ganz allein in ihrem Zimmer, hatte Revue passieren lassen. Zuerst kam die eine Explosion, der zerschmetternde Aufprall von etwas am Bug, was sie nicht sah, sondern eher fühlte. Dann eine zweite, noch größere Detonation, die sie durch ein Fenster des Speisesaals beobachten konnte, der Einschlag des Geschosses, das draußen auf dem Meer eine Wassersäule und Teile des zerstörten Schiffs in den sonnigen Nachmittagshimmel jagte.
    » Der Kesselraum « , bemerkte sie zu sich selbst und riss die Augen auf. » Das muss er gewesen sein. « Sie wandte sich an Benton, weil sie sich zunehmend sicher war, je mehr sie darüber nachdachte. » Ben, o mein Gott! « Nun dämmerte ihr allmählich, was geschehen war, und ein überwältigendes Gefühl der Schuld brach über Sibyl herein.
    Sie hatte es gewusst. Sie hatte es gesehen. Und sie hatte nichts getan, um ihn von der Fahrt abzubringen. Weil sie nicht rechtzeitig begriffen hatte.
    Benton beugte sich vor, seine Ellbogen auf den Knien, und schaute sie voller Sorge an. » Was ist denn, Sibyl? Was ist denn los? «
    » Die Lusitania . « Sie stöhnte auf, hielt sich die Schläfen, als hätte sie Schmerzen. » O mein Gott, warum habe ich ihm bloß nichts gesagt? Warum habe ich nichts gesagt? «
    » Wovon reden Sie überhaupt? «
    Sie verließ ihren Stuhl und fiel vor ihm auf die Knie, blickte mit bebenden Lippen zu ihm empor. » Benton « , flüsterte sie. » Ich habe mich getäuscht. In jener Vision. Die ich immer wieder hatte. Ich habe mich getäuscht. «
    » Was meinen Sie? « Benton sah sie betroffen an.
    » Das muss so sein. All diese Male habe ich nie wirklich den Namen des Schiffes gesehen, nirgendwo. Ich habe den Bug nicht gesehen, und auch seitlich stand nirgendwo der Name. Ich ging einfach davon aus, dass es … dass es … « Ihr versagte die Stimme. Noch immer auf den Knien, ließ sie die Zeitung auf ihren Schoß gleiten und schlug die Hände vors Gesicht. Ihre Stimme wurde zum Schluchzen, und sie ächzte: » Nein. O nein. «
    Benton sah sie sonderbar an, da er noch immer nicht begriff, was sie meinte. » Ich kann Ihnen nicht folgen. Sibyl, sagen Sie es mir. Bitte. «
    Sie legte beide Hände auf seine Knie. » Was, wenn es

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