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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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eines seiner Verbündeten führen, Gefahr laufen, in diesen Gewässern zerstört zu werden, und dass Reisende, die im Kriegsgebiet auf Schiffen aus Großbritannien oder seiner Verbündeten reisen, dies auf eigene Gefahr tun.
    kaiserliche deutsche botschaft, washington, d.c., 22. April 1915
    » Sie haben es wirklich angekündigt. Das ist praktisch eine Warnung. «
    » Warum in Gottes Namen sollte er fahren? Warum überhaupt irgendeiner von ihnen? Ich hatte keine Ahnung von einer solchen Verlautbarung. Was ging nur in seinem Kopf vor? « , rief Sibyl. Eine Träne stahl sich unter ihrem Lid hervor und rann ihre Wange hinab. Ihr Gesicht war fleckig und rot.
    » Ich wünschte, ich wüsste es. Aber er war immer so verdammt selbstbewusst. Er war viel zu aufgeregt wegen dieser Konferenz. Außerdem haben viele Leute gedacht, die würden nie die Frechheit besitzen, einen Ozeandampfer anzugreifen. Er hätte dasselbe gesagt. «
    Bentons Gesicht wurde dunkel vor Wut auf seinen Freund und Kollegen. » Störrisch wie ein Maulesel « , fügte er hinzu, und erneut brach seine Stimme. Er ließ den Kopf in die Hände sinken, und Sibyl sah, wie seine Schultern bebten. Sie sagte nichts, sondern ließ ihn einfach nur so dasitzen, legte ihm tröstend die Hand aufs Knie.
    » Ben « , flüsterte sie. Sie strich mit der Hand über seinen Rücken, seine Schulter. » Ben « , flüsterte sie noch einmal.
    Im oberen Stock löste Sibyl ihr Haar und bürstete es teilnahmslos. Sie hatten ein fast schweigsames Abendessen hinter sich gebracht, bei dem Benton sein Gemüse auf dem Teller hin und her geschoben hatte und einsilbig gewesen war. Er war noch immer unten und spielte ohne besonderes Interesse Karten mit Harlan, während ihr Bruder sich nach wie vor darüber erging, was Wilson als Nächstes tun werde. Benton schien keine besondere Lust darauf zu haben, nach Hause zu gehen, und niemand erwähnte, wie spät es schon war.
    Halb ausgezogen, die Bluse oben aufgeknöpft und das Haar lose über den Schultern hängend, ließ sich Sibyl in ihren Armsessel sinken, starrte ins Feuer und dachte an Edwin Friend. An seine warmen, funkelnden Augen. Seine schwangere Frau. Sie musste doch wahnsinnig vor Sorge sein. Benton hatte sie, direkt vor dem Abendessen, von dem Telefon im Flur aus angerufen, und Sibyl hatte ihr Bestes getan, nicht zu lauschen. Doch der hoffnungslose Ausdruck auf Bentons Gesicht nach dem Gespräch sagte ihr, dass es noch immer keine Nachricht gab.
    Das Feuer knisterte. Sibyl steckte sich einen Daumennagel in den Mund und kaute nachdenklich darauf herum.
    Das Gesicht, das ihr aus dem Spiegel entgegenblickte, war angespannt und blass, dunkle Ringe lagen unter ihren Augen.
    » Das ist, weil du dir über alles solche Sorgen machst « , erklang Eulahs Stimme in Sibyls Gedanken. » Schau mal, das macht nur alt, wenn man sich alles so zu Herzen nimmt. Es bringt nichts, weißt du. Ich habe das nie gemacht. Wenn du dir zu viele Gedanken machst, wird er dich auch nicht eher bemerken. «
    » Wie bitte? « , flüsterte Sibyl vor sich hin.
    Von der Tür kam ein Kratzen. Dann noch eins. Sibyl blickte auf. Das Kratzen wurde zu einem leisen Klopfen.
    Rasch knöpfte sie ihre Bluse wieder zu und ging zur Tür, um sie zu öffnen.
    » Oh! « , rief Benton aus, als er sah, dass ihr Haar offen war. » Tut mir schrecklich leid. Ich wollte Sie nicht stören. «
    Sibyl schluckte, und ihre Augen huschten auf der Suche nach unschicklichen Hinweisen auf seine weibliche Bewohnerin im Zimmer umher. Ein Korsett lag mit gelösten Bändern auf dem Boden, und ihr Morgenmantel hing über der Armlehne am Kamin, ein schlaffes Häufchen Seide. Das Bettzeug war zerwühlt, und die Kissen trugen noch den Abdruck ihres Kopfes von der letzten Nacht.
    » Überhaupt nicht « , sagte sie, während sie sich von ihrer Überraschung erholte, und schubste das unaufgeräumte Korsett mit einer Zehe unters Bett. » Das heißt « , korrigierte sie sich selbst, » ich fürchte, hier ist alles ein bisschen durcheinander. «
    Er trat in den Raum, wobei er vergeblich zu verbergen versuchte, dass er sich rasch neugierig in dieser weiblichen Kemenate umschaute. » Ich hatte Sie auf gar keinen Fall stören wollen, aber ich habe noch mal nachgedacht. Über Edwin. Und ich hatte eine Frage, die ich Ihnen stellen wollte. Wenn es Ihnen nichts ausmacht. «
    Sie griff nach dem Morgenmantel und zog ihn von der Armlehne, wobei die Seide ein weiches, zischelndes Geräusch machte. Benton schluckte

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