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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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an ihrem Hals verbarg. Über den blonden Haarwust hinweg begegnete Sibyl Bentons Blick, und er hob ratlos die Schultern.
    Unbeeindruckt durch die Darbietung schnüffelnden Elends an Sibyls Brust sagte Mrs Doherty: » Ich denke, Sie werden den Captain im Salon vorfinden, Miss. Er wartet auf Sie. «
    » Wirklich? « , fragte Sibyl und riss überrascht die Augen auf. » Nun, das ist sonderbar. Dann gehe ich wohl am besten gleich hinein. «
    » Ja, das wäre gut « , stimmte die Haushälterin ihr zu.
    Sanft fing Sibyl an, Dovies Arme von ihrer Leibesmitte zu lösen, doch das Mädchen hielt sich sogar noch mehr fest.
    » O Sibyl! « , rief es. » Bitte geh zuerst hoch. Bitte. Red mit Harley. Mir hört er gar nicht zu. Er ist fest entschlossen! Ich hab ihn noch nie so halsstarrig erlebt! «
    Dovie blickte mit flehenden Augen in Sibyls Gesicht empor. Sibyl sah in diesen Augen eine Bedürftigkeit, die sie überraschte. Sie hatte das Mädchen bereits aufgewühlt erlebt und auch des Öfteren Dovies Beharrlichkeit zu spüren bekommen, doch nackte Angst hatte sie noch nie an ihr gesehen. Diese plötzliche Wandlung in ihrer ansonsten so unerschrockenen und eigensinnigen Freundin war beunruhigend.
    » Ich werde mit ihm reden, mein Liebes, ich verspreche es dir « , flüsterte sie in Dovies Haar. » Aber ich muss zuerst nachsehen, was Papa will. Es ist sein Haus, weißt du. Ich bin mir sicher, was auch immer mit Harlan vorgeht, wird auch noch eine weitere Viertelstunde andauern. «
    Sibyl konnte sich aus dem Griff des Mädchens befreien, doch nun hängte sich Dovie mit einem erneuten Schluchzer an Benton Derby.
    » Na, na, na! « , rief der vollkommen überrascht und hob die Hände auf Schulterhöhe, als würde ihm jemand ein Messer an den Rücken halten, um ihn um seine Geldbörse zu erleichtern. » Ich schätze, dann bleibe ich wohl am besten einfach hier « , sagte er, » und kümmere mich um Miss Whistler. «
    » Das ist auch besser so « , warf Mrs Doherty ein, anscheinend unberührt von dem Possenspiel in der Eingangshalle. Immerhin war ihrem Gesichtsausdruck zu entnehmen, dass dieses bereits seit Stunden zum Besten gegeben wurde. » Er wünscht Miss Allston allein zu sehen. «
    » Oh « , entfuhr es Sibyl und tauschte einen Blick mit Benton. » Na gut. Dann ist ja alles klar. «
    » Kommen Sie, Miss Whistler « , sagte Benton zu dem zitternden Mädchen, das immer noch an seiner Hemdenbrust hing. » Miss Allston erzählte mir, Sie waren früher auf der Bühne. Sie müssen uns unbedingt einmal etwas vortragen. Haben Sie denn schon einmal die Bernhardt gesehen? «
    Er schob sie, unter allerlei Geplapper über das Theater, zum Fenstersitz im großen Salon und warf dabei Sibyl noch einen letzten Blick zu, in dem eine Mischung aus Neugier und Sorge stand. Sibyl erwiderte den Blick, stand dann kurz zögernd vor der lackierten Schiebetür, die zum kleinen Salon führte, und schob sie schließlich beiseite.
    » Mach sie bitte hinter dir zu « , sagte Lan Allston hinter seiner Zeitung hervor.
    Er saß, wie es seiner Gewohnheit entsprach, in dem neoklassizistischen Lehnstuhl wie ein Schiffbrüchiger auf seiner Insel inmitten des Ozeans von Helens Geschmack. Im Kamin brannte ein angenehm warmes Feuer, und die Uhr auf dem Sims zeigte an, dass es weit nach Mitternacht war. Baiji hockte, eine Klaue in die aufgeplusterten Federn gesteckt, auf seinem Hutständer und schlief fest. Alles schien so zu sein wie sonst auch – bis auf die vorgerückte Stunde. Sibyl tat, wie ihr geheißen, und schob die Tür hinter sich zu.
    » Du bist noch spät auf, Papa « , bemerkte sie und nahm auf dem Sessel gegenüber von ihm Platz.
    » Hm. Nun ja, ich habe darauf gewartet, bis meine Tochter von irgendeiner mysteriösen mitternächtlichen Unternehmung zurück ist « , sagte der alte Seebär und zog eine seiner grauen Augenbrauen hoch.
    Sie erwiderte seinen Blick mit einem höflichen Lächeln.
    Er wartete auf eine Erklärung ihrerseits, doch als sie nicht mit näheren Einzelheiten über ihren nächtlichen Ausflug aufwartete, räusperte er sich, faltete mit großem Rascheln die Zeitung zusammen und stützte die Ellbogen auf die Knie.
    » Mein Liebes « , begann er, eine Anrede wählend, die es im Hause der Allstons nur selten zu hören gab und Sibyl sogleich aufhorchen ließ. » Ich sehe, du bist heute Abend ebenso wenig zu müßigem Geplauder aufgelegt wie ich. Dann komme ich lieber gleich zur Sache. Ich bin so lange aufgeblieben, um dich davon zu

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