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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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verzog sich vor Verwirrung, und er packte das Mädchen noch fester. » Für einen Chinesen sprichst du ziemlich gut Englisch « , zischte er. » Aber das heißt noch lange nicht, dass ich auf dich hören muss. «
    Der Student lächelte ein dünnes, frostiges Lächeln und fuhr dann fort, als hätte Tom gar nichts gesagt. » Den Fehler kann man leicht machen. Sie muss umworben werden. Man muss ihre Aufmerksamkeit gewinnen, was Zeit und Mühen erfordert, und wenn es gelingt, dann auch nur, wenn sie einen mag oder man sehr viel Glück hat. Du hast sie für eine Schwester des Salzwassers gehalten, weil du Seemann bist und Geld in der Tasche hast. Das ist verständlich, aber auch höchst beleidigend. Natürlich ist es nicht immer zu erwarten, dass der Unzivilisierte dergleichen versteht. Doch jetzt, da man dir deinen Irrtum aufgezeigt hat, muss ich darauf bestehen, dass du sie loslässt. Und dich für deinen Fehler entschuldigst. «
    Tom sah sich mit wachsendem Unglauben um. Dann erschien langsam ein Lachen auf seinem Gesicht, und er ließ den Arm des jungen Mädchens los. Sie huschte zu der Reihe ihrer Kolleginnen zurück und nahm mit niedergeschlagenen Augen wieder ihren Platz ein. Indessen rollte der Seemann seine Hemdsärmel auf.
    » Verstehe « , sagte er gedehnt und ließ sich viel Zeit mit seinen Hemdsärmeln. » Es wurde ein Fehler gemacht. Auf den eine Entschuldigung folgen sollte. Richtig? «
    » Das ist korrekt « , bestätigte der Student. Er drückte die Knöchel einer Hand in die Handfläche der anderen. Lannie hörte durch den ganzen stillen Raum hindurch, wie die Finger des jungen Mannes knackten.
    » Na gut « , sagte Tom.
    Alles im Raum erstarrte, und die gesamte Aufmerksamkeit richtete sich auf den summenden Raum zwischen dem stämmigen amerikanischen Seemann mit dem fehlerhaften Gebiss und dem breit gebauten jungen Chinesen.
    » Tom, nicht! « , rief Lannie laut, doch zu spät, denn der Ältere war bereits zur Bar gestürzt, hatte mit der Faust ausgeholt und den jungen Mann an der Schulter getroffen.
    Der Student machte einen gewaltigen Satz und landete drei knappe Schläge mit der Handkante auf der Nase des Seemanns, die mit einem lauten Knirschen brach. Tom stieß ein wildes Stöhnen aus, Blut strömte in seinen Mund, und ohne weiter nachzudenken, stürzte sich Lannie zwischen die beiden.
    » Hör auf, Tom, hör auf! « , brüllte er mit tiefer Stimme und versuchte, den anderen Seemann wegzuziehen, doch seine Warnung stieß auf taube Ohren, während Tom mit den Fäusten auf den Studenten einschlug und diesen mit dem dumpfen Krachen eines Fleischklopfers, der eine Rinderhälfte traktiert, am Rumpf traf. Dann gab es eine plötzliche Explosion aus weißem Licht, aus tanzenden Sternen und ein Knacken, wie das eines brechenden Astes, und Lannie kam der Boden entgegen. Er schlug aufs Gesicht auf.
    Ein Aufschrei erhob sich aus der Gruppe von Seeleuten, Stiefel trampelten über den Boden, den Boden, der sich jetzt gegen sein Gesicht drückte. Die Stiefel wateten durch einen See aus einer roten, klebrigen Flüssigkeit. Schreie, Flüche, und jetzt sah Lannie durch sein langsam sich verengendes Gesichtsfeld die um sich schlagende Gestalt von Tom, der von Richard Derby und drei anderen zu Boden gedrückt wurde.
    » Verdammt noch mal, Greenie! « , dröhnte Tom, dessen Adern am Hals stark hervorstachen.
    Lannie blinzelte benommen, spürte, wie starke Hände ihn an den Schultern packten und der Boden sich langsam von ihm entfernte, während ihn jemand zum Sitzen brachte. Eine Sekunde lang sah er jede Gestalt im Raum doppelt, Umrisse, die vibrierten und verschmolzen, bis sie schließlich wieder eins wurden, und er fasste sich an den Kopf. Sein Schädel schien heil zu sein. Er fuhr sich mit den Fingern durch den sandfarbenen Haarschopf, suchte nach Blut. Nichts.
    » Aua « , lachte eine Stimme an seinem Ohr, und unter den gesenkten Wimpern hervor sah Lannie jetzt das lächelnde Gesicht des chinesischen Studenten, der in die Hocke gegangen war, um ihn zu untersuchen. » Das wird wehtun. «
    Er wies auf Lannies Gesicht, und Lannie betastete sein Kinn. Schon beim leichten Druck seiner Finger musste er vor Schmerz die Augen schließen.
    Lannie ertastete mit der Zunge seine Mundhöhle, die nach Kupfer und Salz schmeckte. Dabei stieß er auf ein Objekt, das sich rund anfühlte wie ein Stiefelknopf, rollte es auf seine Zungenspitze und spuckte es aus. Es fiel mit einem Klacken auf den Boden, sprang noch einmal in die Höhe,

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