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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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hingen ihren Gedanken nach. Sibyl fragte sich, was Benton wohl zu ihrem Vater gesagt hatte. Vielleicht hatte er an der Universität herausgefunden, warum Harlan noch vor Ende des Semesters dazu aufgefordert worden war zu gehen. Schon von dem Moment an, als sie den Fuß ins Haus setzte, hatte sie gespürt, dass ihr Bruder noch immer nicht von dem Ort zurückgekehrt war, an den er vom St. Swithin Club aus geflohen war. In dem Stadthaus war es zu still, zu öde, und es fehlte die pulsierende Energie, die von Harlan stets auszugehen schien.
    Als sie zu ihrem Vater schaute, sah sie, wie ein Schmerz einen kurzen Moment lang durch seine Züge zuckte und sich dann wieder legte. Er rührte sich nicht, doch es war deutlich zu sehen, dass es ihm nicht gut ging. Sie runzelte die Stirn.
    » Hast du heute deine Medizin genommen? « , fragte sie und beugte sich vor, um die Ellbogen auf die Knie zu stützen. Manchmal vergaß er das nämlich. Eher selten kam es auch vor, dass er sich weigerte, sie zu nehmen. Lan konnte stur sein. Dickköpfig, hatte Helen es genannt, wenn sie mit ihm über Kreuz war. In der Übergangszeit wurde sein Rheuma schlimmer. Der Arzt verschrieb ihm regelmäßig ein Tonikum für den Schmerz und für die Nerven, doch alle paar Jahre versuchte Lan, ohne auszukommen.
    » Hm? « , brummte er. » Ach ja. Vorhin. «
    Sie verschränkte skeptisch die Arme vor der Brust. Doch seine Augenlider wurden in der Wärme des Kaminfeuers bereits schwer vor Müdigkeit, und so hatte es wohl wenig Sinn, mit ihm zu streiten. Sibyl ließ sich in den Sessel zurückfallen und wandte ihr Gesicht dem Feuer zu.
    » Es ist gut, dass du dorthin gehst « , flüsterte ihr Vater. » Gut für dich, meine ich. Ich mach mir Sorgen. Manchmal. «
    Überrascht lächelte Sibyl, sagte jedoch nichts.
    Die Uhr auf dem Kamin gab einen leisen Seufzer von sich und begann dann, Mitternacht zu schlagen. Melodisch und kristallklar tönten die Schläge durch das stille Haus. Eins. Zwei. Drei …
    Sibyl zählte jeden Schlag mit und dachte, dass sie die Vergänglichkeit der Zeit buchstäblich spüren konnte, während sie davonglitt wie ein Papierschiffchen auf einem trägen Fluss. Die Uhr schlug, und auf einmal hatte auch sie das Gefühl, sich auf dem gewaltigen Fluss der Zeit treiben zu lassen, während sie doch ganz gemütlich im Salon des Stadthauses ihres Vaters saß.
    Beim achten Schlag der Kaminuhr fuhren Sibyl und ihr Vater erschrocken aus ihren Sesseln hoch. Stimmen drangen aus dem Flur zu ihnen herein – wütende Stimmen. Baiji stieß bei dem Lärm ein empörtes Krächzen aus. Schreie. Eine Tür wurde geknallt.
    Einen Moment später war Sibyl auf den Beinen und zog mit einem lauten Quietschen die Schiebetüren beiseite. Als sie durch den großen Salon stürzte, verfing sich die Spitze ihres Stiefels in dem Samtteppich, sie geriet ins Straucheln und konnte sich nur mit dem Ellbogen an der Anrichte abstützen. Bei dem Zusammentreffen geriet der gläserne Kerzenständer auf der Anrichte ins Wanken, er wackelte und wackelte und purzelte schließlich in einem Funkenregen aus Glassplittern zu Boden.
    Die Stimmen wurden lauter. Eine davon war die von Mrs Doherty, erregt, beschützend, gebieterisch, doch das andere zornige Organ erkannte Sibyl nicht, und so machte sie sich mit unbeholfenen Fingern an dem Riegel der Tür zu schaffen, der den großen Salon vom Flur trennte. Sehen konnte sie nichts; der Riegel lag im Dunkeln, und so versagten ihr die Finger in dem Versuch, ihn zurückzuschieben. Im Salon brannte kein Licht mehr, und Sibyl kniff vornübergebeugt in der schummrigen Umgebung die Augen zusammen. Zu ihrer Erleichterung fiel ein einzelner Lichtstreifen unter der Tür zum Flur hindurch.
    » Ich will zu Ihnen! Sie können mich davon nicht abhalten! « , beharrte die unbekannte Stimme, schrill und voller Panik.
    Fluchend versuchte Sibyl, den Riegel gewaltsam zurückzuschieben. Dann gab das Schloss endlich nach. Mit einem lauten Ächzen riss sie die Tür auf und stand mit ausgebreiteten Armen, das Herz wie ein Trommelwirbel in ihrer Brust, auf dem Flur. Eine Haarsträhne hatte sich aus ihrem Knoten gelöst, und ihr Atem kam nur in hektischen Stößen.
    Zuerst fiel Sibyls Blick auf Mrs Doherty. Das Gesicht der Haushälterin war angespannt, eine Maske aus Panik und Verwirrung, die Augen so weit aufgerissen, dass sich die Iris deutlich vom Weiß der Augäpfel abhob. Sie trug noch immer ihre Uniform aus schwarzem Taft, das spitze Häubchen saß schief. Sie

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