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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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Augen mit dem Jungen reden, wenn du nichts dagegen hast « , sagte die Stimme des Captains so kalt, dass es Harley durch Mark und Bein ging. » Es dauert nur einen Moment. «
    Harley hörte, wie seine Schwester protestierte, und spürte, wie sich ihr Gewicht vom Bett hob, als sie aufstand. Sibyl sprach in einem dringlichen Flüstern auf ihren Vater ein, doch Harley konnte nicht verstehen, was sie sagte.
    » Warum gehst du nicht einen Moment nach draußen und redest mit dieser « , er hielt inne, räusperte sich, » mit dieser jungen Frau. «
    In Harlan drehte sich alles, als er das hörte. Dann wurde ihm in seiner ganzen Verwirrung und mit einem sauren Gefühl in seiner Magengrube schlagartig bewusst, wie seine Familie überhaupt erfahren hatte, wo er war und in welchem Zustand er sich befand.
    Dovie.
    Dovie war in das Haus an der Beacon Street gegangen. Er hätte ihr nie sagen sollen, wo sein Vaterhaus stand. Und ganz gewiss hätte er nicht in jener ausgelassenen, sorglosen Nacht mit ihr vorbeifahren sollen, als sie beide, betrunken und glücklich, aus Mabel Whites Abendsalon getorkelt waren. Das war gedankenlos und dumm von ihm gewesen. Doch er hatte sie beeindrucken wollen. Und hatte keinen Moment lang gedacht, sie würde es wagen … Doch sie hatte es getan. Und jetzt würden sie alles erfahren.
    Sie würden alles erfahren.
    Panik stieg in Harley hoch, und sein Atem beschleunigte sich. Er wünschte, die Augen richtig öffnen zu können, um besser gewappnet zu sein, wenn er sich mit seinem Vater auseinandersetzen musste.
    » Aber sie ist … « , widersprach Sibyl, ließ ihren Gedanken jedoch wider besseres Wissen unausgesprochen.
    » Ja, ich weiß. Aber das wäre doch umso mehr ein Grund dafür, dass wir sie vielleicht ein wenig besser kennenlernen wollen, oder? «
    Es überraschte Harley, dass sein Vater allen Ernstes den Vorschlag machte, die behütete Sibyl, die nur mit hochanständigen und vornehmen Menschen verkehrte, eine junge Frau, deren Welt sich innerhalb der Grenzen von Benefizzirkeln und Teekränzchen abspielte und die kaum ein Telefon bedienen konnte, in aller Öffentlichkeit mit so jemandem wie Dovie sprechen sollte. Der Gedanke entbehrte nicht einer gewissen Komik, wäre das alles nicht so tragisch gewesen.
    Er hörte, wie seine Schwester schwer schluckte, und dann bewegten sich ihre Schritte quer durch das Krankenhauszimmer – klackende, resolute Stiefelschritte auf kalten, harten Fliesen, die im Raum widerhallten. Seine Unterlippe fing zu zittern an, so sehr wünschte er sich, sie würde zurückkommen und ihn nicht allein lassen.
    Eine bleierne Stille senkte sich über den Raum. Harley hörte Stoff rascheln, ein Zeichen dafür, dass Vater seinen Zeitmesser aus der Westentasche zog, um nachzuschauen, wie viel Uhr es war, oder er machte sich nur daran zu schaffen, wie es seine Gewohnheit war, wenn er aufgeregt oder wütend war. Harlan lag reglos da und fragte sich, ob er Schlaf vortäuschen und damit noch einen Aufschub für das Unvermeidliche erwirken könne, doch er wusste auch, dass der Schmerz ihn wach halten würde, ans Bett gefesselt, aber bei Bewusstsein, und er damit seinem Vater ausgeliefert war wie auf dem Präsentierteller.
    Dabei hatte Lan Allston vermutlich durchaus Verständnis für seine Schmerzen. Gewiss hatte er vor Jahren in irgendeinem Hafen Ähnliches erlebt, und man konnte aus genau diesem Grund nicht das Mitgefühl von ihm erwarten, das Sibyl aufbrachte. Lan Allston würde von seinem Sohn erwarten, dass er das alles ertrug, und wenn Harlan darin scheiterte, würde er sich damit auch noch seine Verachtung zuziehen. All das rief sich Harlan ins Gedächtnis, während sein Vater in einem Stuhl neben der Bettkante Platz nahm.
    Lan Allston räusperte sich. Harley erstarrte.
    » Es geht mich nichts an « , begann sein Vater mit genau bemessenen und abgewägten Worten, » wenn du dich mit Dirnen abgeben willst. «
    Harleys Mund zuckte in einem Anflug von gerechtfertigtem Zorn, und er versuchte zu protestieren, doch bevor er etwas äußern konnte, fuhr Lan fort.
    » Allerdings dachte ich, du wärst vernünftig genug, nicht auch ihr Beschützer zu werden. « Dieses Wort spuckte er mit solcher Missbilligung aus, dass Harley buchstäblich in seine Kissen zurückgepresst wurde. » Besonders, wenn man sich lebhaft vorstellen kann, was wahrscheinlich ihr Zuhälter dazu meint. «
    Das Wort klang irgendwie falsch, ja geradezu obszön in Lans elegantem Bostoner Dialekt ausgesprochen. Als sein

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