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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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Stickerei gebeugt, während Dovie ein Modemagazin durchblätterte, die Füße untergezogen. Niemand leistete ihnen Gesellschaft außer dem aufmerksamen Papagei, der, unbeweglich wie eine Statue, auf seinem Hutständer hockte. Dovie warf ihm gelegentlich einen besorgten Blick zu. Lan Allston war noch nicht von seinen geschäftlichen Unternehmungen in der Stadt zurück, und die beiden frischgebackenen Freundinnen hatten sich ein schlichtes Abendessen im Speisezimmer geteilt, voller Aufregung über Mode, Kaufhäuser und den neuesten Klatsch geplaudert und genüsslich ihren schockierenden Triumph im Club Revue passieren lassen.
    » Ich schwöre Ihnen « , sagte Sibyl und lächelte über ihrer Handarbeit, » der Ausdruck auf Milly Coombs’ Gesicht war unbezahlbar. Den würde ich am liebsten in Flaschen abfüllen und verscherbeln. «
    » Und die hat Ihnen also wirklich Ihren Verehrer ausgespannt? « , sagte Dovie, blätterte um und tippte sich angesichts der Mantelmodelle in der Zeitschrift nachdenklich mit dem Finger ans Kinn.
    » Ich schätze ja « , bestätigte Sibyl, zog den Faden an und verknotete ihn mit einem schnellen Ruck. » Damals war ich ziemlich enttäuscht, aber heute ist es mir eigentlich egal. Dabei war er ein netter Kerl. Sammelte Briefmarken. Stellen Sie sich nur vor, wenn ich ihn geheiratet hätte, würde ich für den Rest meines Lebens so tun müssen, als interessierte ich mich für Philatelie. Puh! Aber dennoch war er mir eine Weile ziemlich ans Herz gewachsen. Das ist alles. «
    Dovie zog die Nase hoch. » Manchmal kriegt ein Mädchen schon für weniger eine Ohrfeige « , murmelte sie.
    » Wie bitte? «
    » Ach nichts « , erwiderte Dovie und blätterte weiter. Nach einer langen Pause sagte sie: » Und es gab nie jemand anderen? «
    Sibyl zögerte und blickte zur Seite ins Kaminfeuer. Ihr Herz machte einen Satz, einmal, zweimal, so wie immer, wenn sie an jenen verschneiten Nachmittag mit Benton auf ihrem Fenstersitz zurückdachte. Er hatte gesagt: Lydia meint, wir sollten heiraten. Und dann hatte er sie angeschaut. Gewartet. Nach einem Schweigen, das nicht enden wollte, in dem das Herz ihr bis in die Magengrube gesunken war und ihr Kopf ganz leicht wurde, so elend fühlte sie sich, hatte Sibyl das gesagt, von dem sie glaubte, er wolle es von ihr hören: Ach, wirklich?
    Als sie das sagte, war sein Gesicht in sich zusammengesunken. Es war die falsche Antwort gewesen. Und bis heute hasste sie sich dafür. Beim Gedanken daran zog sie die Stirn in Falten und machte den Knoten an ihrer Stickerei so fest, dass der Faden fast riss.
    » Nicht der Rede wert « , meinte sie schließlich. » Nein. «
    Dovie warf ihr einen langen Blick zu. Doch statt sie in der Frage näher zu bedrängen, blätterte sie weiter. Nach einer Weile war sie mit der Zeitschrift zu Ende und warf sie mit einem gelangweilten Seufzer zu Boden. Sibyl beugte sich vor, kniff die Augen im flackernden Licht zusammen und konzentrierte sich auf ihre Arbeit. Dovie seufzte erneut. Offenbar wollte sie Sibyls Aufmerksamkeit auf sich lenken.
    Sibyl blickte auf und sah, wie sich die junge Frau in ihrem Sessel wand und in ihrer Rocktasche wühlte. Schließlich förderte Dovie die polierte Kristallkugel zutage, mit der sie während ihres morgendlichen Gesprächs gespielt hatte. Im weichen Licht des Kaminfeuers glühte der gläserne Ball einladend, und Dovie hockte sich im Schneidersitz in ihren Lehnstuhl, legte die Ellbogen auf die Knie und hielt die Kugel noch näher ans Licht.
    » Sie ist so hübsch « , bemerkte sie und rollte die Kugel auf ihren Fingerspitzen hin und her. Hinter ihr gab der Papagei ein genüssliches Gähnen von sich.
    Sibyl lächelte und legte die Handarbeit auf ihrem Schoß ab. » Das ist sie, ja « , stimmte sie zu. » Ich hatte ganz vergessen, dass Sie sie haben. «
    Dovie starrte die Kugel einige Minuten lang intensiv an, bis ihre Augen vor Anstrengung fast schielten. Sibyl lachte laut, als sie spürte, was ihr Gegenüber zu versuchen schien, und Dovie errötete. Schließlich schimmerte ein winziges Lächeln auf ihren Gesichtszügen, das gleiche verschwörerische Lächeln, das auch an diesem Nachmittag auf ihrem Gesicht geleuchtet hatte.
    » Sie sagen also, sie dient zum Sehen? « , fragte sie. In ihren Augen funkelte es spitzbübisch.
    » Hm. Jaaa. « Sibyl dehnte das Wort, als zweifelte sie.
    » Aha « , sagte Dovie. Sie zog eine Lippe zwischen ihre Zähne, stierte die Kugel an, rollte sie auf ihrer Handfläche hin und her und

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