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Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)

Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)

Titel: Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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beleibt, ein überlegter und ernsthafter Mann, der sich auf die Landwirtschaft verstand, redete mir gut zu, die Plünderung durch die Elstern unseres Gesindes nicht zu dulden. Aber eine einsame Frau ist immer machtlos. Mein Sohn war, als mein Mann das erste Mal aufbrach, noch klein, und später, als er erwachsen wurde, hielten ihn die eigenartigen Zustände in unserem Haus und vielleicht die von seinem hehren Vater ererbten Eigenschaften davon ab, sich um die Wirtschaft zu kümmern. Dazu braucht es einen Mann. Nicht hundertachtzehn, sondern nur einen. Und dieser eine war immer und ewig unterwegs.
    Wenn ich jetzt an Ithaka zurückdenke, beurteile ich das Verhalten meines Mannes nachsichtiger. Eigentlich lebten wir dort auf der Insel unter ziemlich ärmlichen Bedingungen. Das Ionische Meer, das unser bescheidenes Königreich mit seinen weinfarbenen Wogen umarmte, ist windig. Aiolos’ flinke Piraten, die nördlichen und südlichen Wüstenwinde, fuhren winters wie sommers durch das Laub der dürren Ölbäume auf unserer Insel, und in unserem weiträumigen Haus flatterten unaufhörlich die Teppiche vor den Türen. Ithaka war klein und felsig. Wiesen und Felder gab es dort kaum. Als die pferdezüchtenden Argeier zu uns zu Besuch kamen, wunderten sie sich über die Kargheit der Insel. Wir züchteten nur Ziegen. Auch deswegen musste mein Sohn Telemachos das Geschenk Menelaos’, die edlen Rosse, zurückweisen. Nirgends in Ithaka gab es die Weiten, die den Pferden Auslauf geboten hätten. Deshalb wandte sich mein Mann mit dem Herzen und dem Verstand dem Meer zu. Er dachte, auf dem Meer fände er die Weite, die ihm das Festland verweigerte. Das Volk, über das er herrschte, war klein, und als er später neben Ithaka Zakynthos und Samos hinzupachtete, vermehrten sich nur seine Sorgen und nicht sein Besitz. Ich will hier sein Andenken verteidigen.
    Deshalb baute er unser Haus oben auf dem Hügel Aetos, an den Rand seines bescheidenen Reiches, unmittelbar ans Meer grenzend. Die pferdezüchtenden Gäste kritisierten diese Ortswahl. Sie waren Festländler und meinten, ein König oder jeder andere hohe Herr lebe sicherer, wenn er für seine Residenz einen zentral gelegenen Ort wählt. Als ich das hörte, verstand ich wieder einmal, welch tiefe Kluft meinen Gatten, den Mann des Meeres, von den Festländlern trennte. Er sah die Welt anders. Nicht Sicherheit wollte er, sondern Windesrauschen und Überraschungen. Deshalb wurde unser Haus auf dem Gipfel gebaut, am Ufer des Meeres, mit offenen Türen und Fenstern. Er wartete immer auf die Welt. Und als er eines Tages das Gefühl hatte, dass die Welt es nicht eilig hatte, zu ihm zu kommen, machte er sich auf den Weg zu ihr. Später kam er noch manchmal zu uns nach Ithaka zurück, aber ein längeres Bleiben gab es nicht mehr. Er tötete einige Männer, rechnete unser Vermögen zusammen, lag in meinem Bett und umarmte mich. Wir hatten noch einen Sohn, den edlen Ptolipathos, doch all das tat er schon etwas zerstreut und gleichgültig. Als würde es ihn gar nicht kümmern. Als dächte er immer an etwas anderes. Später habe ich oft überlegt, ob es richtig war, dass ich ihn nicht mit Tricks und Intrigen zurückgehalten habe, mit Leidenschaft und Flehen … War es recht, dass ich ihn nach Troja gehen ließ? Wenn ein Mann einmal die Heimat verlässt und mit Leib und Seele auf die Reise geht, kann er später nie wieder ganz heimkommen. Das habe ich erlebt. Man lernt langsam.
    IV
    Aber bevor er weggerufen wurde, bevor die ehrlose Weibsperson, deren Namen ich nicht einmal aussprechen mag, ihrem schwachsinnigen Mann ausgerissen ist – was mich übrigens nicht wundert, denn wie kann man mit einem blonden Mann leben? –, bevor diese Frau die Erinnerung in ihm wieder aufgerührt hat, war er unser Herr in Ithaka. Ein treuer, sorgsamer Landesherr und geduldiger König. Auch in unserer Armut großzügig. Immer gerecht und mild. Wir, die Familie, seine Diener, Schweinehirten und Schäfer, hörten nie ein lautes Wort von ihm oder einen tadelnden Ausbruch. Mild herrschte er über das Volk der Kephallener, wie ein Vater, der nichts will als dienen und erziehen.
    Wie war er wirklich? Alles, was später geschah, verschleierte das Bild, das ich mir von ihm bewahrte. Als würde ich zwei Ulysses kennen. Den einen, der mit mir in Ithaka gelebt hat. Den anderen, der nach Troja ging und immer und ewig unterwegs war. Wenn er sich hin und wieder bei uns blicken ließ, badete er nur rasch und machte sich gleich

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