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Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)

Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)

Titel: Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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auf.
    »Wenn du mir schon nachgelaufen bist, hilf mir wenigstens! Dieser Mensch, der mit deiner Mutter und deinem Großvater dreckige Futtergeschäfte macht, lässt sich König nennen, obwohl Anthedon nichts anderes ist als eine verlauste Uferstadt in Böotien. Dort spielt er den König … Viel Geld hat er, das stimmt!«, flüsterte sie vertraulich. »Das Futter, das so berühmt ist, dass sogar die Himmlischen es für ihre Pferde kaufen, enthält ein geheimes Mittel, und die Pferde, die man damit füttert, werden betrunken und feurig davon. Die zauberkräftigen Wickensamen kauft dieser niederträchtige Krämer heimlich von Kronos!« Skylla flüsterte leidenschaftlich. »Der Himmel und die Erde sind voll von solchen verdächtigen Geschäften!« Sie seufzte traurig und legte sich die feine, kindliche und dennoch muskulöse Hand aufs Herz. »Komm her!«, sagte sie anmutig und ernst. »Setz dich zu mir. Wer bist du?«
    Ich stellte mich vor. Skylla sah mich aufmunternd an. Als ich mich neben sie aufs Sofa setzte, nahm sie meine Hand. Ihre kühlen Finger drückten leidenschaftlich meine raue Jungenhand, die in dieser verwirrenden Lage schweißnass war.
    »Du bist noch ein Kind«, sagte sie nachsichtig, »aber nicht mehr lange.« Ihre Kinderaugen glänzten mit der Klugheit einer Frau. Offen sah sie mich an. »Hör zu!«, flüsterte sie. »Alles ist ein Gemisch von Intrigen, Geld und Zauberei – auf Erden und im Himmel! Ich habe eine ausgezeichnete Erziehung genossen. Du musst wissen, Glaukos ist mit mir verwandt. Zwar nur weitläufig, aber auch ich bin mehr oder weniger göttlicher Herkunft. Meine Tante ist ein göttliches Wesen und eine reiche Frau. Sie ist Fährfrau in einer Bucht in Thrinakia und dafür berüchtigt, dass sie von den Schiffsleuten, die durch den Eingang der Bucht fahren, gnadenlos Zoll verlangt. Ihren Namen trage auch ich«, sagte sie feierlich.
    »Skylla!«, rief ich, weil ich erst jetzt den Zusammenhang verstand. Bewundernd und verblüfft sah ich den schönen Gast an. Meine Mutter und eine alte Nymphe hatten von der berühmten Skylla gesprochen, über deren Habsucht und Gier die Seefahrer des Ionischen Meeres mit Schrecken sprachen.
    »Meine Tante!«, nickte die kleine Skylla ernst. »Sie hat auch für meine Erziehung gesorgt, weil sie wohlhabend ist. Zu ihren Ehren trage ich diesen Namen. Aber vielleicht auch aus einem anderen Grund.« Sie legte den feinen Finger auf ihre Erdbeerlippen. »Glaukos ist ein außerordentlich wollüstiger Mann. Habsüchtig und lüstern wie alle aus dem Osten. Er kennt meine Tante, und es ist durchaus möglich, dass sie in der Jugend etwas miteinander hatten. Doch das verstehst du noch nicht!« Überheblich warf sie den Kopf nach hinten. Ich musste lachen. Skylla sah mich argwöhnisch an. »Lachst du mich aus?«
    »Skylla«, sagte ich. »Warum spottest du? Du hast gesagt, du bist keine Jungfrau …«
    »Bist du es denn noch?«, fragte das schöne Wesen misstrauisch.
    Ich errötete. Verlegen gestand ich, dass ich noch nichts mit einer Frau zu tun gehabt hatte, aber dass meine Träume unruhig waren und ich in der freien Natur aufgewachsen war und also die Liebesgeheimnisse der Lebewesen kannte. Beinahe mit der Unbefangenheit eines auf dem Dorf aufgewachsenen Kindes konnte ich von der körperlichen Liebe sprechen. Skylla schwieg mit ernsten, glänzenden Augen vertrauensvoll.
    »Wenn du noch Jungfrau bist«, sagte sie und seufzte. »Kannst du mir vielleicht helfen. Wie heißt du?«
    Sie dachte über die Bedeutung meines Namens nach.
    »Eigenartig«, sagte sie gedehnt. »Verstehst du die Sprache der Achäer?«
    Ich gestand, dass ich nur den Dialekt der Bewohner der Toteninsel spreche.
    »Dann kennst du auch nicht die Bedeutung deines Namens«, sagte sie hochmütig. Und als täte ich ihr leid, nahm sie meine Hand, zog mich nah zu sich heran und flüsterte:
    »Pass auf, Junge! Im Dialekt der Achäer bedeutet dein Name: der in der Ferne geboren ist. Ein besonderer Name!«, sagte sie nachdenklich. »Sicher hat er einen verborgenen Sinn. Wer ist dein Vater?«, fragte sie schroff.
    Das Blut schoss mir ins Gesicht.
    »Ich habe keinen Vater«, sagte ich zähneknirschend. »Aber der göttliche Helios ist mein Großvater.«
    Skylla unterbrach mich:
    »Du hast keinen Vater«, sagte sie ungestüm, »dafür aber eine Mutter mit einem fürchterlichen Ruf. Telegonos, die Götter haben dich nicht ohne Grund in meine Nähe geführt. Auch dich umhüllt ein Geheimnis. Glaukos hat mich mit Gewalt

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