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Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)

Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)

Titel: Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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Begleitung einiger Sekretäre, Lakaien und einer jungen Frau eingestellt. Die Frau war schön. Meine Sinne waren damals schon erwacht, und mit gierigen Blicken betrachtete ich aus der Ecke des Saales, von wo ich die Szene beobachtete, die gefällig gerundeten Formen des schlanken, tugendhaften Mädchens. Meine Mutter sah Glaukos’ Begleiterin scharf und prüfend an.
    »Wer ist das?«, fragte sie spitz mit zurückgeworfenem Kopf.
    »Skylla«, sagte der wortgewandte, lächelnde Glaukos mit belegter, anzüglicher Stimme. »Eine entfernte Verwandte. Ich habe sie mitgebracht, damit sie die Welt sieht und in deiner Umgebung, göttliche Frau, weltläufige Manieren und vornehme Lebensformen lernt. Wenn es dir recht ist«, sagte er mit geheuchelter Untertänigkeit und verneigte sich höflich.
    Diese Botschaft hörte ich mit pochendem Herzen. Die Möglichkeit, dass die schlanke Jungfrau hier auf der Toteninsel bleiben sollte, verhieß angenehme Vergnügungen. Zu dieser Zeit hatte ich das Kindesalter bereits hinter mir gelassen, die Gesellschaft der Schweine und gezähmten Löwen langweilte mich. Ich sehnte mich nach weiblicher Gesellschaft … Meine Mutter sagte mit gespielter Liebenswürdigkeit:
    »Ein reizendes Kind. Sicher ist sie müde von der Reise.« Sie klatschte und warf den eintretenden Unternymphen über die Schulter die Worte zu: »Führt das liebe Mädchen in sein Zimmer! Sorgt dafür, dass sie alles bekommt, was sie braucht!«
    Die junge Frau mit dem feurigen Blick und den guten Manieren, die jedoch sichtlich widerspenstig und trotzig war, gehorchte dem Gebot der göttlichen Gastgeberin. Ohne zu zögern verließ sie den Saal. Vorher verabschiedete sie sich jedoch mit einem tiefen, eingeübten Knicks von uns und folgte der zu ihrem Dienst abgestellten Unternymphe wortlos ins Gästezimmer. Sehnsüchtig und ratlos sah ich ihr nach. Meine Mutter bemerkte meinen gierigen Blick, und ihr strenges Gesicht wurde milder. Spöttisch lächelte sie und schickte mich unserem Gast hinterher.
    »Sorge dafür«, sagte sie, »dass das hübsche Fräulein an nichts Mangel leidet!« Dann wandte sie sich an Glaukos und sagte hinterhältig: »Ich hoffe, du hast keine Einwände, wenn mein heranwachsender Sohn dieses anmutige Mädchen unterhält?«
    Glaukos’ Zähnen entfloh ein unverständliches Wort. Meine Mutter betrachtete dieses Grunzgeräusch als Zustimmung und gab mir mit einer Handbewegung ein Zeichen, dem schönen Gast nachzueilen.
    Ich weiß nicht, was zwischen meiner Mutter und Glaukos in dieser Nacht geschah. In den Speisesaal, wo für den göttlichen Futterhändler und meine Mutter gedeckt wurde, kehrte ich nicht zurück, und die Gastgeberin blieb für die Nacht allein mit ihrem Gast! Ich eilte Skylla nach, die ich in einem der prächtigen Gästezimmer unseres Hauses allein fand. Sie stand am Fenster und sah mit dunkel leuchtendem, unruhigem Blick hinaus in den Garten auf die Bucht, die zwischen den Zypressen der Toteninsel durchschimmerte. Die Barken des Königs von Anthedon schaukelten dort im Wasser. Die Nymphen packten im benachbarten Schlafgemach das Gepäck des schönen Gastes aus. Ich blieb auf der Schwelle stehen und sah verlegen das anmutige, aber völlig unzugängliche Wesen an.
    »Verzeih mir …«, sagte ich zaghaft.
    Skylla wandte sich mit der Wut einer Wildkatze zu mir um.
    »Ich verzeihe nicht!«, zischte sie und flüsterte dann ungestüm: »Ich will von hier weg!«
    »Von hier weg, edle Jungfrau?«, stammelte ich verlegen. Ich bemühte mich, mit höflichen Worten zu sprechen, wie es meine Mutter mir beigebracht hatte, weil ich zum ersten Mal einer welterfahrenen, sterblichen Frau gegenüberstand. Aber mein männliches Verlangen konnte ich nicht verbergen. Mein Mund fühlte sich vor innerer Glut ganz ausgedörrt an, das Haar hing mir wirr in die Stirn. Skylla sah mich, obwohl ich sie so aufgebracht angetroffen hatte, nicht mit Abneigung an. Das spürte ich … »Du willst ohne Erlaubnis deines hehren Onkels unser Haus verlassen?«
    »Ich bin keine Jungfrau«, sagte sie wütend. »Und er ist nicht mein Onkel. Du sollst wissen, Junge, dass ich von vornehmer Herkunft bin und mich dieser fette Haferhändler in Mykene für Gold von meinen geldgierigen Verwandten gekauft hat. Er hat mich mit Gewalt zur Seinen gemacht.«
    »Wie das denn?«, fragte ich unwillkürlich voller Neugier.
    Skylla sah mich verächtlich an. Aber zugleich lächelte sie freundlich und schüttelte hitzig ihr Lockenköpfchen. Dann stampfte sie

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