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Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)

Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition)

Titel: Die Frauen von Ithaka: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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hierhergebracht, weil er mich verführt hat. Später, als ich zur Besinnung kam, verachtete ich diesen lüsternen Futterlieferanten, und seither weise ich seine Annäherungen immer zurück, mit Zähnen und Klauen, wie ich eben kann. Weißt du, dass die Zauberwicken, mit denen die Pferde deines Großvaters jeden Morgen gefüttert werden, nur Hengste zum schnellen Trab antreiben? Die Stuten werden benommen von diesem Futter und ermüden im Lauf. Dies geschah auch mit den berühmten Stuten der Aphrodite, die Glaukos gefüttert hat und die dann im Pferderennen zurückgeblieben sind. Weiß deine Mutter nichts davon?«
    Ich stotterte etwas, doch Skylla winkte erregt ab.
    »Ich sehe schon, ihr wisst gar nichts über Glaukos«, sagte sie wütend. »Er ist der größte Betrüger, und dein strahlender Großvater, aber vielleicht sogar deine Mutter sind Opfer dieses Abenteurers mit den honigsüßen Worten geworden, der sich als König maskiert und mit verwurmtem Hafer und Zauberwicken hausiert.«
    »Mach dir keine Sorgen um meine Mutter!«, sage ich stolz. »Ich habe keinen Vater, das stimmt, und du sagst, in irgendeiner fremden Sprache bedeutet mein Name, dass ich in der Ferne geboren bin, aber meine Mutter ist hier bei mir, und sie ist mächtiger als alle!« Trotzig warf ich den Kopf zurück. »Sie wird auch mit Glaukos fertig …«
    »Ach, du kleines Dummerchen!«, seufzte Skylla mit Tränen in den Augen. Sie rückte ganz nah zu mir heran. Ihre heiße Mädchenhand drückte kräftig meine knochige, raue Jungenhand. Sie sah mir in die Augen. Der warme, würzige Atem ihres Mundes brannte in meinem Gesicht.
    »Er will meinen Gehorsam brechen und ein geheimes Geschäft mit deiner Mutter abschließen, damit ich mich in ihn verliebe!«, flüsterte sie geheimnisvoll. »Telegonos, hilf mir! Wenn du mich schon nicht aus den Klauen meines sklavenhalterischen Herrn befreien kannst, so bleib in meiner Nähe und gib mir ein Zeichen, wenn du den Eindruck hast, dass mir deine strahlende und fürchterliche Mutter ihre geheimen Kräuter zu essen geben will. Versprichst du mir das?«
    Die Tränen der wunderbaren Frau rührten mich tief.
    »Du siehst Gespenster, Skylla!«, sagte ich bewegt. »In unserem Haus werden einfache, aber gesunde Speisen gekocht. Wenn du willst, koste ich jeden Bissen vor dir …«
    »Das wäre mir ganz recht«, sagte Skylla ängstlich und sah mich dankbar an. »Du gefällst mir. Du bist ein Kind, auch wenn du schon etwas Männliches an dir hast. Vielleicht ähnelst du deinem unbekannten Vater und nicht deiner giftmischenden, hehren Mutter.« Sie seufzte bitter.
    »Verletz nicht den Ruf meiner Mutter«, sagte ich unsicher.
    »Man sagt«, flüsterte Skylla und sah sich dabei erschrocken um, als fürchtete sie, dass die Nymphen im Nachbarzimmer ihre gewisperten Worte hörten, »sie verzaubere jeden. Die Menschen, die sich in ihre Nähe verirren, bekommen Tiergestalt, werden Vierfüßler, Fische und Vögel, und deine Mutter herrscht gnadenlos über sie. Stimmt das, Junge?« Ihre Augen brannten, als sie mich ansah.
    Mir blieb der Mund offen stehen. Alles, was ich hörte, war neu, furchtbar … Aber ich konnte nicht leugnen, dass die Worte des unruhigen, schönen Gastes in meinem jugendlichen Bewusstsein sonderbar bekannt widerhallten. Ich kannte die Wahrheit nicht, doch jetzt, wo der Gast die Beschuldigung ausgesprochen hatte, spürte ich, dass die Annahme, meine Mutter sei im Besitz von Zauberkräften, nicht ganz unbegründet war.
    »Übertreibung …«, murmelte ich. Skylla seufzte.
    »Ich verstehe, dass du schweigen musst«, flüsterte sie traurig. »Du bist ihr Sohn, du musst auf den guten Ruf deiner fürchterlichen Mutter achten. Aber in Mykene wissen sie alles. Ja, deine Mutter kennt die Geheimisse der Zauberei. Glaukos hat mich nicht ohne Grund mitgebracht. Er will deine Mutter mit Gold, Schmeicheleien und vielleicht noch anderen Gefälligkeiten dazu bringen, dass sie mir den geheimnisvollen Trank gibt und ich dann eine gehorsame Liebespuppe in den Händen des lüsternen Krämers bin. Deshalb bin ich hier!« Sie war aufgebracht. »Ich sage nicht«, fuhr sie dann leiser fort und blinzelte mich verkniffen, aber zugleich verheißungsvoll an, »dass ich unbedingt ein Feind der körperlichen Liebe bin.« Sie schlug die Augen nieder, doch ich sah, dass sie unter dichten Wimpern hervor verstohlen die Wirkung ihrer Worte beobachtete. »Ein lieber Kamerad, in dem eine ehrliche Neigung zu mir erwacht, wäre nicht gegen meinen

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