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Die Frauen von Nell Gwynnes

Die Frauen von Nell Gwynnes

Titel: Die Frauen von Nell Gwynnes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kage Baker
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den Spritzbeutel zu Boden und brach in Tränen aus.
    „Oh! Schon wieder eine vergeigt! Jetzt werde ich auf alle Fälle meine Arbeitsstelle verlieren. Mrs. Duncan, ich bin keine Konditorin, und mein Arm tut so weh. Warum gehe ich nicht einfach nach draussen und ertränke mich?“
    „Kein Grund zur Theatralik“, sagte Lady Beatrice und hob den Spritzbeutel auf. „Meine Damen? Auf!“
    Wie sich zeigte, war noch viel mehr für das Dessert zu tun. Zuckerpaste musste in Pastillage-Formen gedrückt werden, um allerlei Dekorationselemente zu erzeugen, unter anderem einen römischen Miniaturtempel, Tauben, einen Triumphwagen sowie Pfeile und Bögen. In der Tat galt es, Putten aus Wackelpudding mit Rosengeschmack zu stürzen, was eine Menge eher gruselig aussehender kleiner Dinger produzierte, die an transparente rosa Babys erinnerten. Nachdem man sie an den vier Ecken der Torte angebracht hatten, wackelten sie, und ihre Köpfe hingen beunruhigend herunter wie bei echten Babys. Unzählige Behälter voll Sahne mit Muskadintrauben-Geschmack mussten in die Sorbetiére geleert, dort mit schweisstreibender Anstrengung geschlagen und schliesslich in die riesige Schwanenform gepresst werden. Als diese endlich voll war, mussten Maude und Dora sie gemeinschaftlich in den Eisschrank hieven.
    „Dieses Ding kommt oben auf die Torte?“, erkundigte sich Lady Beatrice.
    „Da soll es hin“, antwortete Mrs. Duncan unglücklich und vermied es, ihr in die Augen zu sehen.
    „Klar, und wir tragen es dann rein und tanzen dazu. Na sicher!“ Jane wies mit dem Daumen auf die absurde Menge an Süssigkeiten, die ihre Tragefläche mit dem Gewicht all der Tempel, Putten, Tauben und anderer Dekorationselemente zum Knarzen brachte. Von den Rosen und Farnen, die die Tragestangen verzierten, ganz zu schweigen.
    „Nun, so hat seine Lordschaft es gesagt“, antwortete Mrs. Duncan. „Sie sind doch sicher alle gesunde junge Frauen, und es ist ja nicht so, als würde er nicht gut bezahlen.“

Kapitel 9
    In welchem das Objekt der Begierde auftaucht.

    A lle Bedenken waren vergessen, als Pilkins und Ralph eine halbe Stunde nach Beginn des Abendessens die Küche betraten. Sie trugen einen in Säcke gehüllten Gegenstand zwischen sich. Ralph verhielt ruckartig mitten im Schritt, als er der Damen in ihren Chitons gewahr wurde, und Pilkins fluchte, als der Gegenstand zu Boden krachte. Lady Beatrice erblickte kurz die Ecke eines länglichen, flachen Behälters, ähnlich einer Besteckschatulle, ehe Pilkins sie eilig wieder mit dem Sackleinen bedeckte.
    „Du jämmerlicher Waschlappen! Pass doch auf, was du tust“, schalt Pilkins. „Ach, und Sie ... Sie ... Mädchen – raus hier. Sie auch, Köchin. Warten Sie in der Speisekammer, bis ich Bescheid gebe.“
    „Na, Sie machen mir Spass! Das ist nicht Ihre Küche!“, begehrte Mrs. Duncan laut auf.
    „Anweisung Seiner Lordschaft“, antwortete Pilkins. „Du kannst sie begleiten, Ralph.“
    „Aber gern“, sagte Ralph und bewegte sich auffällig unauffällig in Maudes Richtung.
    „Wenn Sie erlauben“, warf Mrs. Corvey ein, „mein Rheuma macht mir so spät am Abend arg zu schaffen, und Bewegungen sind sehr schmerzhaft. Darf ich hier am Feuer sitzenbleiben?“
    Pilkins warf ihr einen Blick zu. „Bei Ihnen wird es wohl in Ordnung sein. Gut, Sie bleiben, aber der Rest geht in die Speisekammer. Aber zackig!“
    Die Damen setzten sich anstandslos in Bewegung; Mrs. Duncan folgte mit deutlich weniger Enthusiasmus. Ralph ging zuletzt und schloss die Tür hinter ihnen.
    „Hei-ho! ‚Hier steh ich wie der Türk’ mit seinen Weibern ‘ “, zitierte er kichernd. „Sie natürlich ausgenommen, Köchin“, fügte er hinzu, aber sie gab ihm dennoch eine Kopfnuss.
    Währenddessen beobachtete Mrs. Corvey interessiert, wie Pilkins den Kasten auswickelte, der deutlich schwerer zu sein schien, als seine Grösse vermuten liess, denn er keuchte vor Anstrengung, als er ihn über den Boden zu der ächzenden Konstruktion schob, auf der sich der Nachtisch befand. Mrs. Corvey bemerkte dabei eine Reihe von Drehreglern und Schaltern an der ihr zugewandten Seite.
    Pilkins schob das Ding unter das Gerüst und fingerte ungeschickt daran herum. Dann hörte Mrs. Corvey ein leises Brummen und sah, wie der Kasten sich jäh durch die Luft bewegte, als falle er nach oben. Er traf mit einem Poltern auf die Unterseite des Tragegestells und verhielt dort anscheinend, während Pilkins auf den Steinfliesen kauerte und brummend seine

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