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Die Frauen von Savannah

Die Frauen von Savannah

Titel: Die Frauen von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Hoffman
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schenke ich ihn dir.«
    Ich beugte mich hinüber und betrachtete mich im Rückspiegel. »Danke.«
    »Aber gerne, Liebes. Nun denn«, sagte sie und schob sich die Brille auf die Nase, »dann wollen wir mal.« Sie ließ den Motor aufheulen und legte den Rückwärtsgang ein, der Wagen machte einen Satz nach hinten und fuhr gegen einen Poller am Ende der Einfahrt.
    »Keine Sorge«, sagte sie lachend, »wenn die Straße erst mal vor mir liegt, läuft es besser.« Sie legte den Vorwärtsgang ein und brauste die Straße hinunter.
    Als wir aus Willoughby hinausfuhren, drehte ich mich um und legte das Kinn auf die Rücklehne. Durch die Heckscheibe sah ich die einzige Stadt, die ich kannte, hinter uns verschwinden. Selbst wenn ich es versucht hätte, hätte ich nicht sprechen können, was aber vollkommen in Ordnung war. Tante Tootie raste die Straße entlang, das Sonnenlicht funkelte auf der Windschutzscheibe, und sie zwitscherte pausenlos über alles Mögliche, von dem Kräutergärtchen, das sie gerade angelegt hatte, bis dazu, wie sehr sie alte Häuser, antike Uhren und Boston Cream Pie mochte. Je weiter wir kamen, desto ruhiger wurde ich, und nachdem wir zum Mittagessen Pause gemacht hatten, fand ich auch meine Stimme wieder und konnte ein bisschen zum Gespräch beitragen. Ich erzählte ihr, wie gerne ich las und was ich von Mrs Odell über Blumen gelernt hatte.
    »Dann gärtnerst du gerne?«
    »Ja. Ich jäte sogar gern Unkraut.«
    »Oh, wie wunderbar. Vielleicht kannst du mir ja auch ein bisschen im Garten helfen. Also, ich erzähl dir mal, was ich an der Nordseite des Hauses gepflanzt habe …«
    Ich kannte niemanden, der so viel reden konnte wie Tante Tootie. Sie plapperte einfach weiter, bis die Sonne hinter dem Horizont verschwand und fedrige lilablaue Wolken hinter sich her zog. Erst als der Mond über den Bäumen auftauchte, hörte sie auf, mir Geschichten zu erzählen, und bat mich, mit nach einem Platz zum Übernachten Ausschau zu halten.
    »Wenn Taylor und ich zusammen gereist sind, war es immer meine Aufgabe, ein Motel zu finden. Sobald es dunkel wurde, sagte er ›Tootie, mein Mädchen, jetzt kommt dein Einsatz‹, und dann hielt ich nach einem Übernachtungsplatz Ausschau.«
    »Warum nennen dich eigentlich alle Tootie?«
    Ihre Augen fingen an zu leuchten, und sie lachte. »Als ich Taylor kennenlernte, war ich noch nie Auto gefahren. Ehrlich gesagt, ich hatte eine Heidenangst davor. Taylor sagte, es sei unerlässlich, dass ich fahren lerne. Er fand, Frauen brauchen Unabhängigkeit. Also hat er es mir beigebracht, obwohl ich mich wirklich mit Händen und Füßen gewehrt habe. Als ich hinter dem Steuer saß, konnte ich plötzlich nicht mehr geradeaus denken. Immer, wenn sich ein Auto näherte, habe ich gewunken und gehupt wie eine Irre, tut-tut , damit sie mir aus dem Weg blieben. Taylor hat sich gekringelt vor Lachen. Er meinte, so was Lustiges habe er noch nie erlebt. Deswegen hat er mich Tootie genannt, weil ich immer gehupt habe. Unsere Freunde haben das übernommen, und seitdem nennt mich niemand mehr Tallulah.«
    Der Wind wehte durch das offene Fenster herein, die Landschaft flog in Grauschlieren vorbei, und ich konnte mir gut vorstellen, warum Tante Tooties Mann einen Schutzengel für die Motorhaube hatte anfertigen lassen. Ich sah meine Tante an und sagte: »Jetzt hast du wohl keine Angst mehr.«
    Sie kam gar nicht mehr heraus aus dem Lachen.
    Ich guckte aus dem Fenster und las alle Schilder, an denen wir vorbeifuhren. Schließlich sah ich eins, das ein Motel ankündigte. »Guck mal«, sagte ich und zeigte an den Straßenrand. »Mountain View Hotel – 10,5 Meilen.«
    »Gut gemacht, Liebes. Da sind wir gleich ruck, zuck im Bett.«
    Die Scheinwerfer schnitten ein Loch in die neblige Dunkelheit. Mir war, als würde sie mich in einen Traum mit Goldrand hineinfahren. Ich hatte keine Ahnung, wo wir waren, und ich glaube, Tante Tootie auch nicht. Ich wusste nur, dass ich in einem tollen Wagen durch die Nacht flog, mit einer Frau, die wie aus dem Nichts aufgetaucht war und angeboten hatte, mich mitsamt meinem verpfuschten Leben und allem an einen Ort namens Savannah zu holen.
    Am nächsten Abend um kurz vor fünf erreichten wir eine schmale, weinumrankte Brücke. Auf einem Schild am Straßenrand standen drei Worte, und im Vorbeifahren flüsterte ich sie mir selbst zu: »Willkommen in Savannah.«
    Die größten Bäume, die ich je gesehen hatte, streckten sich nach einander aus, als wollten sie sich über die

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