Die Frauen von Savannah
wo einmal die Magnolie gestanden hatte.
Miz Goodpepper strich sich eine Strähne aus der Stirn. »Etwas zu ermorden ist an sich schon kriminell, aber dass jemand aus den Südstaaten eine Magnolie ermordet? Das ist schlicht ein Sakrileg gegen die Natur und gegen den Süden. Violene Hobbs ist die Schwarze Witwe von Savannah. Nimm dich vor ihr in Acht, Cecelia. Hinter dieser triefend süßen Stimme steckt nichts als Bösartigkeit.« Miz Goodpepper stieß ein verbittertes, humorloses Lachen aus. »Ich habe nicht mehr lange genug zu leben, als dass die Wunden, die diese verfluchte Person mir gerissen hat, heilen könnten.«
Das war zweifellos das erstaunlichste Gespräch, das ich je geführt hatte. Ich machte es mir ein bisschen gemütlicher. »Warum hat sie den Baum denn ermordet?«
Miz Goodpepper schenkte sich noch mehr Wein ein, schwenkte ihn im Glas und trank es in einem Zug leer. Ihre Augen verengten sich zu blauen Schlitzen, und sie zog mit einem wütenden Ruck ihren Gürtel straff. »Sie hat diesen prachtvollen Baum ermordet, weil sie Angst hatte, ein Windstoß könnte ihn in ihren Pool werfen. Das ist doch das Lächerlichste, was man je gehört hat.«
Da musste ich ihr zustimmen.
»Ich wusste schon von Anfang an, dass Violenes Gehirn so groß ist wie eine Erbse. Ich kenne Farnkraut, das intelligenter ist als sie. Aber ich kann es immer noch nicht fassen, dass sie die Magnolie umgebracht hat. Den Gedanken ertrage ich kaum. Dieser wunderschöne Baum war zahllosen Vögeln und Eichhörnchen ein Zuhause. Ach, hättest du ihn doch sehen können. Es war, als würde man ein Stück vom Paradies einatmen.«
Sie unterbrach sich, um den Rest aus der Weinflasche zu leeren. »Aber jetzt rieche ich, wenn es geregnet hat, nur noch den Tod. Hast du je nach einem Regen einen sterbenden Baum gerochen?«
»Nein, Ma’am. Ich glaube nicht.«
»Na, dann hoffe ich, dass du das nie erleben musst«, sagte sie und drehte den geheimnisvollen grünen Ring an ihrem Finger. »Ich kann dir sagen, es ist ein Geruch, den man nie vergisst. Glaub mir, eines Tages werden all die bösen Taten der Violene Hobbs sich sammeln und einen großen schwarzen Karma-Bumerang bilden, der durch die Luft wirbelt und sie niederstreckt.« Miz Goodpepper schloss die Augen und seufzte. »Ich hoffe nur, ich bin dann dabei und kann es sehen.«
Ich starrte meine Hände an und wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich wusste nichts von einem heiligen Mann, der Lama hieß, kannte keine Riesenfotze, und ich verstand nichts von schwarzen Karma-Bumerangs. Ich wusste nur, dass ich in eine sonderbare, parfümierte Welt eingetaucht war, die, soweit ich es sehen konnte, ausschließlich von Frauen bevölkert war.
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Kapitel 9
A ls ich am folgenden Montag aufwachte, merkte ich, dass ich verschlafen hatte. Oletta servierte das Frühstück immer um punkt halb neun, und es war schon fast neun. Ich zog mich schnell an und rannte hinunter. Als ich durch den Flur auf die Küche zuging, hörte ich Tante Tootie mit Oletta sprechen. »… sie will nicht über ihre Mutter reden, das macht mir Sorgen. Ich habe ein paar Mal versucht, sie zum Sprechen zu bringen, aber sie will nicht. Was soll ich tun?«
Ich hörte, wie eine Tasse auf eine Untertasse gestellt wurde, und dann sagte Oletta: »Miz Tootie, ich hab Ihnen doch alles gesagt, was Cecelia mir über ihre Mutter erzählt hat. Das Kind hat ’ne Menge durchgemacht, und das muss sich erst mal setzen. Manche Kinder brauchen Zeit, um damit fertigzuwerden. Ich war noch klein, wie mein Pappy gestorben ist. Meine Schwester Geneva wollte die ganze Zeit über ihn reden, das war ihre Art zu heilen. Aber ich, ich war mehr wie Cecelia, ich hab lange gebraucht, bis ich über ihn reden konnte. Ich bin ja keine, die Ihnen sagen kann, was Sie tun sollen, aber wenn Sie schon fragen, ich würd Cecelia einfach noch Zeit geben, sich einzuleben. Sorgen Sie dafür, dass das Kind glücklich ist und sich geborgen fühlt, und dann können Sie immer noch …«
Ich drehte mich um und kroch ins kleine Wohnzimmer. Ich wollte nicht über Momma sprechen, und auch nicht über meinen Vater. Ich versteckte mich hinter der Tür und hoffte, Tante Tootie würde Olettas Rat annehmen.
Die Fliegentür schlug zu, und ich dachte, Tante Tootie wäre gegangen. Ich wartete eine Minute, dann ging ich den Flur hinunter und in die Küche, wo Tante Tootie mit der Zeitung und einer Tasse Kaffee am Tisch saß.
»Guten Morgen, Liebes.«
»Hi, wo ist denn Oletta?«
»Sie
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