Die Frauen von Savannah
dass wir am besten ins Krankenhaus gehen. Also stiegen wir in Rosas Wagen. Wir waren vielleicht ein Anblick – ich saß praktisch auf ihrem Schoß, meinen Finger in ihrem Mund. Ich musste die ganze Zeit lachen, und Rosa war in Tränen aufgelöst. Im Krankenhaus hat mir ein Arzt den Finger von Rosas Zahn geschnitten und ihn verbunden. Dann gab er mir eine Tetanusspritze.«
Rosa schüttelte den Kopf. »Ich habe mich in meinem ganzen Leben nicht so geschämt.«
Tante Lu lachte. »Ach, natürlich hast du das, Rosa, andauernd.«
Ich schluckte meinen Sandwichbissen hinunter und fragte: »Was ist aus Ihren Haaren geworden? Haben Sie sie für die Verabredung noch hingekriegt?«
»Nein. Mein Haar sah aus, als hätte ich es in Benzin getaucht und angezündet. Keine Chance, so mit Stan auszugehen, aber ich wusste auch nicht, wie ich ihn erreichen konnte, um die Verabredung abzusagen. Und ich wollte auch nicht die ganze Nacht zu Hause im Dunkeln sitzen und das Licht aus lassen und so tun, als wäre ich nicht da.«
»Also schrieb Rosa ihm eine Nachricht, sie könne wegen eines Notfalls nicht, klebte den Zettel an die Tür, packte eine Tasche und kam zu mir«, sagte Tante Lu.
Rosa seufzte. »Und das war’s dann mit Stan. Ich war so sauer, dass ich die komplette nächste Woche im Bett verbrachte. Ich war ein schniefendes Häufchen Elend. Am Sonntagmorgen kam Lu mit Donuts und Kaffee zu mir, und wir haben auf dem Sofa gesessen und geredet. Ich habe im Selbstmitleid gebadet und über mein kaputtes Haar gejammert und dass ich das Date mit Stan verpasst hatte. Na, und dann hat Lucille mir in die Augen gesehen und gesagt: ›Was willst du denn, Rosa? Hast du vergessen, warum du dieses Sofa gekauft hast? Bist du so wild drauf, dir den nächsten Exmann anzulachen?‹«
Rosa, Tante Tootie und Tante Lu brachen in schallendes Gelächter aus. Ich brauchte einen Moment, bis ich den Witz verstand, dann lachte ich mit.
»Und sie hatte ja recht«, sagte Rosa, lehnte sich zurück und tat so, als würde sie an ihrer Zigarette ziehen. »Ich habe gemerkt, dass ich glücklich war, wie es war, warum sollte ich das alles für einen Mann wieder über den Haufen werfen? Ich habe Arbeit, eine Wohnung, mein lila Samtsofa und die beste Freundin der Welt«, sagte sie und grinste Tante Lu an.
In diesem Moment ertönte ein hartes Ping , und im Fenster der Parkuhr erschien eine rote Flagge.
»Die Mittagspause ist rum. Dann wollen wir mal wieder«, sagte Rosa und faltete ihre Serviette.
»Warten Sie. Gehen Sie noch nicht.« Ich rannte zum Auto und holte meine neue Kamera. »Ich möchte ein Foto von Ihnen beiden machen.«
Rosa drückte ihre Wange an Tante Lus, und ich machte ein Bild. Als es langsam auf dem Papier erschien, fragte ich mich, ob ich je das Glück haben würde, eine Freundin zu finden, mit der ich alt wurde, eine Freundin, die meine Geheimnisse kannte, meine Ängste, meine Hoffnungen – und mich trotzdem liebte. Eine Freundin mit einem lila Samtsofa.
Zwei Wochen später ging ich gerade durch die Küche, als das Telefon klingelte. Tante Tootie war draußen im Garten, also nahm ich ab. Ich hörte nichts als Schluchzer. Schließlich verstand ich, wer dran war.
»Sie ist nicht mehr«, weinte Rosa. »Meine beste Freundin ist nicht mehr!« Unter Schlucken und Tränen erzählte sie mir, dass Tante Lu vor wenigen Stunden gestorben war.
Ich war so schockiert, dass ich an der Wand hinunterrutschte und auf dem Boden landete.
Wie Tante Lu es sich gewünscht hätte, war Rosa bei ihr gewesen, als sie aus dem Leben schied. Und wie nur Gott selbst es angeordnet haben konnte, starb sie an dem alten Kartentisch bei einem letzten freitäglichen Straßenpicknick.
Rosa putzte sich die Nase und sagte. »Ich fasse es gar nicht. Vor ein paar Stunden haben wir zu Mittag gegessen, und ich bin fast in Ohnmacht gefallen, als Lucille mir gesagt hat, sie hätte ihre Schuldigkeit im Leben getan und sich ihre Freiheit verdient. Sie hat gesagt, sie will sich zur Ruhe setzen und am Ende des Sommers den Laden zumachen.«
Rosa wimmerte und schnäuzte sich noch einmal. »Lucille hat gelacht und mich gefragt, ob ich ihr helfe, ein lila Samtsofa zu finden, um ihren Ruhestand zu feiern. Wir wollten am Samstag zusammen shoppen gehen.«
Inzwischen weinte ich auch. Ich rappelte mich vom Boden hoch und wischte mir mit einem Küchentuch die Augen, aber es flossen neue Tränen, als Rosa mir erzählte, wie Tante Lus Augen geblitzt hätten und sie lachend gefragt habe:
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