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Die Frauen von Savannah

Die Frauen von Savannah

Titel: Die Frauen von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Hoffman
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»Kannst du dir das vorstellen? Ich mit einem lila Samtsofa?«
    Laut Rosa hatte Tante Lu noch gelacht, als sie plötzlich steif wurde und leblos nach vorne kippte, direkt dort am Tisch. Rosa weinte hemmungslos, als sie mir erzählte, dass in dem Augenblick, als Tante Lu starb, die Parkuhr surrte und die rote Flagge aufleuchtete und Ping machte.
    »Ich werde das nie begreifen«, schluchzte Rosa. »Nie.«
    Wie sich später herausstellte, hatte ein Aneurysma im Gehirn Tante Lus Tod verursacht. Bevor ich an diesem Abend zu Bett ging, holte ich das Foto, das ich von ihr und Rosa gemacht hatte, aus meiner Schreibtischschublade. Ich setzte mich auf die Bettkante und betrachtete ihre Gesichter, das Funkeln ihrer Freundschaft in ihren Augen. Dieses Bild ließ keinen Zweifel, wie sehr sie sich gemocht hatten.
    Am nächsten Tag packten Tante Tootie und ich nachmittags unsere Koffer und fuhren nach Brunswick, um die Beerdigung vorzubereiten. Wir fuhren lange schweigend, dann sah ich sie an und sagte: »Es kommt mir so unwirklich vor. Wir haben sie doch gerade erst gesehen.«
    »So ist das manchmal, wenn Menschen uns verlassen. In einem Moment sind sie noch da, und im nächsten nicht mehr.«
    Ich nickte und starrte den Saum meines Kleides an, dachte an Momma und wünschte, ich hätte gar nicht erst davon angefangen.
    Den Sarg auszusuchen war eine bedrückende Erfahrung, die mich zu dem Schluss brachte, Verbrennung sei vielleicht eine gute Lösung. Als Tante Tootie mit dem Bestatter sprach, sah ich mich in dem Raum mit den Särgen um; die Deckel standen offen wie hungrige Münder, die nur darauf warteten, die frisch Verstorbenen zu verschlucken. Ich beschloss, die Welt lieber im Feuer zu verlassen und mich in Rauch aufzulösen, als bis in alle Ewigkeit in eine dunkle Kiste mit weißem Satinfutter eingesperrt zu sein.
    Als wir beim Bestatter fertig waren, fuhr Tante Tootie zu einem Betonbau am Rande der Stadt. Über der Tür hing ein Schild: Baugewerbe Joe Bodacci und Sohn – Wir übernehmen jeden Job. Ihr standen Tränen in den Augen, als sie parkte. »Warte hier auf mich, Schatz«, sagte sie, zog ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und schnäuzte sich. »Dauert nicht lange.«
    Ich fragte mich zwar, warum sie zu einer Baufirma fuhr, nachdem sie einen Sarg ausgesucht hatte, hielt es aber für besser, nicht zu fragen.
    Am Tag nach Tante Lus Beerdigung fuhren Tante Tootie und ich zum Mittagessen zu Rosa, bevor wir uns wieder auf den Heimweg nach Savannah machten. Rosa hatte Tante Lus alte Katze Napoleon adoptiert, und sie begrüßte uns mit ihm auf dem Arm. »Guckt ihn euch mal an. Er trauert, genau wie ich.«
    Wir drei setzten uns an einen rosa Resopaltisch am Küchenfenster und aßen zu Mittag. Rosa lachte und weinte die ganze Zeit und erzählte Geschichten von Tante Lu. Tante Tootie und ich lachten und weinten mit ihr, und Napoleon saß auf dem Fensterbrett und schaute mit traurigen grünen Augen hinaus.
    Rosa war gerade mitten in einer Geschichte, als es an der Tür klopfte. »Wer kann das denn sein?«, fragte sie, nahm ihre Serviette vom Schoß und tupfte sich die Augen trocken. Sie stand auf und ging ins Wohnzimmer.
    Tante Tootie hielt sich den Finger an die Lippen und machte » Schh «, dann bedeutete sie mir, zu ihr an die Küchentür zu kommen. Rosa schob den Riegel zurück, öffnete die Wohnungstür und war sprachlos. Mr Bodacci und sein Sohn trugen das Schaufenster von Tante Lus Laden herein, die abblätternden Goldbuchstaben verkündeten Brunswick Fine Jewelers . Die Scheibe war professionell gerahmt und mit einem Spiegel hinterlegt, sodass die goldenen Buchstaben hervortraten, als schwebten sie über Eis.
    Die größte Träne, die ich je gesehen hatte, lief Rosas Wange hinunter, als sie die Hand über die zarten Goldbuchstaben gleiten ließ. Tante Tootie, Rosa und ich standen da und hielten uns an der Hand, als Mr Bodacci und sein Sohn das gerahmte Fenster vorsichtig an die Wand hängten, direkt über das lila Samtsofa.
    An den Tagen nach Tante Lus Beerdigung kamen immer wieder Freunde von Tante Tootie zu Besuch. Ich spürte, wie die Stimmung sich hob, wenn sie ankamen, und wieder sank, wenn sie gingen. In der Abenddämmerung ging Tante Tootie in den Garten hinaus und setzte sich auf die Bank unter der immergrünen Eiche, mit hängenden Schultern, die Hände zwischen den Knien zusammengepresst. Ihre Trauer lag auf ihr wie ein schwerer Wintermantel. Ich wusste, dass ich zu ihr hinausgehen und bei ihr sein sollte, aber

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