Die Frauen von Savannah
orangefarbenes, trägerloses Top. Sie stemmte die Hände in die Hüften und rief mit einer Stimme, die dreimal so kräftig war wie sie selbst: »Oletta Jones, wie du gesagt hast, du fährst hierher, dacht ich, du erzählst mir einen vom Pferd.«
Oletta stieg aus, sichtbar erleichtert, dass die Fahrt zu Ende war. »Du weißt doch, dass ich keine Lügenmärchen erzähl, Nadine. Aber merk’s dir gut, ab heute fahr ich keinen Meter mehr. Was ist denn mit deinem Auto?«
»Keine Ahnung. Der Händler hat es gerade abgeschleppt. Macht mich wahnsinnig – ich geb das ganze Geld für ein nagelneues Auto aus, und was hab ich davon?«
Um die Hausecke kam ein großer, breitschultriger Mann. Seine Haut war tiefschwarz, und sein Haar millimeterkurz geschoren. Ein sackartiger Jeans-Overall hing unförmig über seinem ausgeblichenen Holzfällerhemd.
Er kam zu uns, winkte und rief »Hey, Oletta«.
In diesem Moment merkte ich, dass das gar kein Mann war, sondern eine Frau. Eine fassförmige Frau, groß wie eine Riesin. Und ihre Hände – man kann ohne Übertreibung sagen, sie waren so groß wie ganze Schinken. Man hätte im Leben nicht gedacht, dass diese beiden Frauen Schwestern waren. Aber sie hatten ein fast identisches, umwerfendes Lächeln, das sie großzügig verteilten.
»Wir haben schon so viel von dir gehört«, sagte Nadine.
Chessie nickte und grinste so breit und froh auf mich herunter, wie es nur ging.
»Na, dann wollen wir mal«, sagte Nadine und holte Klappstühle unter einem Baum hervor. Ich half ihr, sie zum Wagen zu tragen, und Chessie ging ins Haus und holte eine Decke und einen roten Sonnenschirm. Sie luden alles in den Kofferraum und gingen wieder ins Haus. Nadine kam mit Sonnenbrille und einer leuchtend grünen Basecap zurück. Auf der Schulter hatte sie einen ähnlichen Schatzsucher wie Olettas. Chessie kam mit einem Armvoll Zeitschriften und einer dunkelblauen, mit einer Schnur zusammengebundenen Samttasche aus dem Haus gepoltert.
»Heiliger Strohsack, was für ein schickes Auto«, sagte Nadine und strich über die Haube von Tante Tooties Wagen. »So was wird ja heute gar nicht mehr gebaut. Lass uns das Dach aufmachen.«
»Nein. Das geht nicht«, sagte Oletta und schüttelte den Kopf.
Nadine stemmte die Hände in die Hüften und legte den Kopf schief. »Und warum nicht? Das erzähl mir mal – warum fährt man denn ein Cabrio, wenn man das Dach nicht aufmacht?«
»Ehrlich, Nadine, Miz Tootie hat das schon seit Jahren nicht aufgemacht. Wir können nicht einfach …«
»Oletta Jones, jetzt mach dich mal locker«, sagte Nadine und tat Olettas Bedenken mit einer Handbewegung ab. Sie schlüpfte hinters Steuer und suchte die Hebel und Knöpfe am Armaturenbrett ab. »Ich glaube, ich hab’s«, rief sie. »Alle mal zurücktreten!«
Sie ließ den Motor an, und einen Augenblick später war ein lautes Quietschen zu hören, gefolgt von einem Plop . Der Metallrahmen hob sich hoch in die Luft, und dann faltete sich das Dach in hübsche Akkordeonfalten hinter dem Rücksitz. Chessie jauchzte vor lauter Aufregung.
»Kommt, Mädels, hüpft rein. Momma Nadine fährt uns nach Tybee, und zwar mit Stil.«
Oletta sah Nadine scharf an. »Da fliegt doch nur der ganze Dreck von der Straße rein und macht alles schmutzig.«
»Keine Sorge«, sagte Nadine lachend. »Ich fahr so schnell, dass er einfach wegfliegt. Hör auf zu jaulen und steig ein.«
Ich sprang auf den Rücksitz und konnte es gar nicht erwarten loszufahren. Oletta wirkte genervt und stieg neben mich, während Chessie vorne einstieg. Nadine setzte sich stolz auf, wendete den Wagen, trat aufs Gas und raste die Einfahrt hinunter.
»Pass doch auf!«, schrie Oletta und klammerte sich an Nadines Rückenlehne fest.
Nadine schaute in den Rückspiegel und zog eine Augenbraue hoch. »Oletta, woher die Panik? Ich bin mein ganzes Leben gefahren und hatte noch nie ’n Unfall.«
»Oh, wohl. Du hast deinen alten Freund Clem Riley mit dem Wagen in den Graben geschubst. Der arme Mann humpelt immer noch.«
Nadine lachte. »Ich hab Neuigkeiten, Sistah, das war kein Unfall.« Sie machte das Radio an und suchte nach einem Sender. Als ihr ein Lied gefiel, stellte sie es lauter.
Oletta rief beglückt: »Ich liebe Martha and the Vendellas!« Sie fing an, Nowhere to run mitzusingen, und hielt sich die Faust vor den Mund wie ein Mikrofon. Nadine und Chessie sangen mit und bewegten die Schultern auf eine Weise, wie ich es noch nie gesehen hatte. Ich versuchte, ihre Kopf- und
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