Die Frauen von Savannah
den Wagen und sahen aus wie ein älteres Zwillingspaar – beide in geblümten Kleidern und kleinen Strohhüten. Oletta und ich standen auf den Stufen und winkten ihnen hinterher. Sobald sie außer Sichtweite waren, ging Oletta in die Küche und zum Telefon. Sie sprach einige Minuten und grinste, als sie wieder auflegte.
»Alles klar. Nadine und Chessie holen uns morgen früh ab. Wir fahren auf Schatzsuche nach Tybee Island und machen ein Picknick.«
»Wirklich?«
»M-hm. Ich hab Miz Tootie gefragt, ob das geht, und sie hat Ja gesagt.«
Ich quietschte vor Freude und tanzte in der Küche herum. »Ich bin so aufgeregt! Ich habe noch nie das Meer gesehen!«
»Na, dann mach dich auf was gefasst.«
Der Wecker klingelte um halb sieben. Ich zog mich schnell an, noch ganz verquollen vom Schlaf. Ich suchte Turnschuhe, Sonnenbrille und den Hut, den Tante Tootie mir geschenkt hatte, zusammen und polterte die Treppe hinunter.
Oletta stand in der Küche und packte eine Kühlbox. Sie hatte sich ein rosa-grünes Tuch um den Kopf gewickelt und trug ein ärmelloses Kleid mit großen orangefarbenen Blumen. An der Hintertür stand ihr Schatzsucher.
Sie schaute auf und lächelte. »Ich hab uns ein schönes Mittagessen eingepackt. Schinken- und Käsesandwiches, Kartoffelsalat, Limo, Cola und Johannisbeerpastete. Ich hab sogar ’ne Tüte von dem Käsegebäck, das du so gerne magst.«
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und schaute in die Kühlbox. »Wow, Oletta, das ist aber eine Menge Essen.«
»Meerluft macht einen Bärenhunger, wirst du schon sehen.« Sie machte den Deckel zu, da klingelte das Telefon. »Das muss Nadine sein. Ich wette, sie sind zu spät dran«, sagte Oletta und ging ans Telefon. Sie sprach nur ein paar Sekunden, und als sie auflegte, verdunkelte sich ihr Gesicht. »Nadines Auto springt nicht an«, sagte sie und schlurfte zur Spüle. »Sieht aus, als müssten wir zu Hause bleiben.«
Ich war so enttäuscht, dass ich es kaum aushielt. Während Oletta die Kaffeekanne abspülte, nahm ich mir eine Banane aus der Obstschale und ließ mich an den Küchentisch plumpsen. Ich wollte so unbedingt nach Tybee Island, ich hätte mich durch eine Betonwand geknabbert, um hinzukommen. Ich sah halbherzig aus dem Fenster, während ich meine Banane aß, und da fiel mir etwas ein. »Ich weiß, wie wir nach Tybee Island kommen. Wir nehmen einfach Tante Tooties Auto.«
Oletta trocknete die Kaffeekanne ab und schüttelte den Kopf. »Kind, ich bin seit Jahren nicht Auto gefahren.«
»Und was ist mit Nadine? Sie kann doch fahren, oder?«
»Aber Nadine und Chessie kommen ja nicht hierhin. Bei denen fährt kein Bus. Ich weiß, dass du enttäuscht bist, aber wir fahren einfach ein andermal nach Tybee. Hilf mir mal das ganze Essen in den Kühlschrank räumen.«
»Wie weit wohnen Nadine und Chessie denn weg?«, fragte ich und reichte ihr eine Dose Kartoffelsalat.
»Ich weiß nicht in Kilometern, aber ungefähr ’ne Viertelstunde oder so.«
Das Telefon klingelte. »Oh, gut«, sagte Oletta, »vielleicht ist Nadines Wagen ja doch noch angesprungen. Geh mal ran, ja?«
Ich rannte zum Telefon und nahm ab. Es war Tante Tootie, die aus Raleigh anrief. Wir unterhielten uns kurz, und dann fragte sie, wann wir nach Tybee Island aufbrechen. Ich erzählte ihr, dass Nadines Auto nicht ansprang, und obwohl ich sicher war, dass sie wahrscheinlich Nein sagen würde, fasste ich mir ein Herz und fragte, ob Oletta ihr Auto fahren dürfte. Als Oletta mich hörte, machte sie die Kühlschranktür mit einem lauten Schlag zu und schüttelte den Kopf.
Tante Tootie schwieg einen Augenblick, dann sagte sie: »Liebes, gib mir Oletta doch mal bitte.«
Ich zog die Schnur über die Küchentheke und reichte Oletta den Hörer. Sie sagte nicht viel, sie schien nur zuzuhören. Als Oletta sich verabschiedete und auflegte, warf sie mir einen warnenden Blick zu. »Jetzt hör mir mal zu, und das ist mein Ernst. Sprich nie wieder für mich. Verstanden?«
»Tut mir leid. War Tante Tootie böse?«
»Nein, war sie nicht. Sie hat gesagt, ich kann mit ihrem Wagen zu Nadine fahren, aber das mach ich nicht.«
»Aber warum? Können wir nicht …«
»Halt den Mund und lass mich ausreden«, sagte sie und drohte mir mit dem Finger. »Ich hab doch gesagt, dass ich ewig nicht gefahren bin. Ich konnte das damals schon nicht gut, und jetzt wird es erst recht nicht mehr gehen.«
»Okay«, sagte ich schuldbewusst. »Es tut mir leid, Oletta, ich wusste nicht, dass du solche
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