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Die Frauen von Savannah

Die Frauen von Savannah

Titel: Die Frauen von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Hoffman
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meines Vaters auf dem Schoß.
    Mit wutverzerrtem Gesicht tupfte sie etwas Klebriges auf den Reißverschluss. »Lügner«, sagte sie und rieb wütend mit dem Finger über die Metallzähne.
    Ich ging zur Tür. »Momma, mit wem sprichst du?«
    »Mit deinem Vater«, sagte sie.
    »Aber er ist doch gar nicht hier.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Hier, nicht hier, na und?«
    »Was machst du da?«, fragte ich und trat ein.
    »Ich bereite eine kleine Überraschung für ihn vor. Der ist tatsächlich so dreist, hier anzurufen und mir zu sagen, ich soll seinen guten Anzug bügeln, er will dann vorbeikommen und ihn abholen. Vorbeikommen? VORBEIKOMMEN !«
    Sie drückte noch mehr klebriges Zeug aus der Tube und schmierte es auf die Unterseite des Reißverschlusses. »Er behauptet, er muss nach Detroit, zu einer großen Konferenz am Samstagabend, und dass er das ganze Wochenende nicht zu Hause ist. Als ob ich das glauben würde. So ein mieser Lügner und Betrüger.«
    Sie war so wütend, dass man ihre Halsschlagader pulsieren sah. Ich nahm die Tube in die Hand und hielt sie ins Licht. »Momma, das ist Klebstoff!«
    Langsam drehte sie sich um und sah mich an. Und was als leichtes Stirnrunzeln begonnen hatte, wurde zu dem breitesten, strahlendsten Lächeln, das ich seit Jahren gesehen hatte. »Genau.«
    Tante Tootie wurde blass. »Oh Cecelia. Es tut mir so leid. Ich kann nur sagen, dein Vater soll sich was schämen, wirklich was schämen. Deine arme, arme Mutter.«
    Sie schwieg, der Wind flatterte uns um die Ohren, und ich fragte mich, was sie wohl dachte. Vielleicht würde sie mich jetzt verstehen.
    Nachdem wir mehrere Meilen lang geschwiegen hatten, sah sie mich an und sagte: »Weißt du was, Schatz? Hass deinen Vater ruhig eine Weile. Nicht zu lange, aber eine Weile. Ich glaube, ich werde ihn einfach auch eine Weile hassen.«
    Dann griff sie wieder nach meiner Hand, und diesmal zog ich sie nicht weg.
    Wir fuhren weiter hinaus aufs Land, vor uns erstreckte sich eine unbefestigte Straße, so weit das Auge reichte. Hier und da lag eine Farm oder eine Scheune, aber zumeist fuhren wir an endlosen Getreidefeldern und Obstplantagen vorbei.
    »Cecelia Rose, ich weiß, dass du verletzt und wütend bist, und dazu hast du auch jedes Recht. Aber ich würde dir gern helfen, deine Gefühle zu verarbeiten. Sprich mit mir, Liebes.«
    Ich sah weg und murmelte: »Ich möchte einfach einen ganzen Tag glücklich sein. Das ist alles.«
    Tante Tootie seufzte schwer. »Na gut, Vorschlag. Heute wird ein glücklicher Tag. Wir genießen das Wetter und kaufen Pfirsiche. Aber morgen setzen wir uns zusammen und reden. Versprichst du mir das?«
    Ich betrachtete einen auf der Windschutzscheibe zerschellten Käfer und nickte.
    »Gut, und weil der Tag heute zum glücklichen Tag erklärt wurde, kann ich dir auch gleich noch was Schönes erzählen«, sagte sie und lehnte sich wieder zurück. »Ich habe mit deinem Schulleiter in Willoughby gesprochen, und er hat mir deine ganzen Zeugnisse geschickt. Sie sind letzte Woche gekommen, und ich habe sie mir angesehen. Cecelia Rose, du bist ja wirklich blitzgescheit. Ich wusste ja, dass du ganz schön intelligent bist, aber ich hatte keine Ahnung, dass du so eine Ausnahmeschülerin bist. Ich bin vielleicht stolz auf dich!«
    »Danke«, sagte ich. Ich war froh, nicht mehr über meinen Vater sprechen zu müssen.
    »Also, ich habe ein Angebot. Es gibt eine tolle Privatschule mit einem hervorragenden Lehrplan. Sie heißt Rosemont School for Girls und ist ganz klein, nur die Klassen sieben bis zwölf. Die Schulleiterin heißt Iris Fontaine und ist eine Bekannte von mir. Ich war gestern bei ihr und habe ihr deine Zeugnisse gezeigt. Rat mal, was sie gesagt hat?«
    »Was denn?«
    Tante Tootie zwinkerte. »Sie sagt, du wärst die perfekte Kandidatin für Rosemont. Also, hast du Lust, dir die Schule mal anzusehen? Iris würde sich freuen, dich kennenzulernen. Das Schuljahr fängt ja bald schon an, und wir müssen entscheiden, auf welche Schule du gehst.«
    Schule. Ich musste zur Schule gehen.
    Ich hatte den Sommer in einem luftigen, nach Blumen duftenden Märchen verbracht, in einer Welt, die so weit jenseits alles Normalen war, dass ich die Schule vollkommen vergessen hatte. Aber Mädchen aus reichen Familien wurden nun mal in Internate geschickt. Das war eine Tatsache. Am Stadtrand von Willoughby hatte es so eine Schule gegeben. Jeden September wurden die Schüler in dicken Autos hingebracht, und im Juni fuhren wieder

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