Die Frauen von Savannah
Zimmer, das Tante Tootie das Schneeflockenzimmer genannt hatte. Ich versuchte, mich auf die Ellbogen aufzustützen, aber mein Kopf fiel aufs Kissen zurück.
Im Flur waren Schritte zu hören, dann tauchte Tante Tooties Gesicht neben Olettas auf. »Oh Cecelia, wie schön, dass du wach bist.«
Oletta lächelte. »Ich muss mal nach dem Brot im Ofen sehen. Ich komm gleich wieder und bring dir ’n schönen Toast mit Apfelmarmelade.«
Als Oletta gegangen war, setzte Tante Tootie sich auf die Bettkante und strich mir den Pony aus dem Gesicht. »Ruh dich einfach aus, wir kümmern uns schon um dich.«
Mein Hals fühlte sich kratzig und wund an, und so klang auch meine Stimme. »Was ist denn passiert?«
Sie nahm ein Glas vom Nachttisch und hielt mir einen Strohhalm an die Lippen. »Trink einen Schluck, das ist Honig- und Zitronenwasser. Tut gut.« Ich trank eine ganze Menge, dann stellte sie das Glas ab und tätschelte mir die Hand. »Du bist ein bisschen kaputt, aber mach dir keine Sorgen. Doktor O’Connor hat dir gestern Abend eine Spritze gegeben, damit du gut schlafen kannst. Ich bin bei dir. Ich gehe nicht weg.«
»Aber … was ist denn passiert?«
Sie rieb mir den Arm, und ein Schatten fiel über ihr Gesicht. »Darüber sprechen wir später. Jetzt ist es erst mal das Beste, wenn du dich ausruhst.«
»Seit wann bin ich denn in diesem Bett?«
»Noch nicht so lange. Erst seit gestern Nachmittag.«
Mich überkam Panik. Geht es jetzt los? Verliere ich den Verstand, wie Momma?
»Bitte, Tante Tootie, ich muss es wissen. Was ist passiert?«
Sie nickte und drückte mir die Hand. »Nun gut. Vielleicht erzählst du mir zuerst, woran du dich erinnerst, und dann sehen wir von da aus weiter.«
»Wir sind zu der Pfirsichfarm gefahren. Ich habe die Hunde gestreichelt, und dann …« Die Worte blieben mir im Hals stecken. Ich sah weg und kaute auf meiner Unterlippe. Mir tat alles weh, als wäre ich von innen verprügelt worden.
»Was hast du, Cecelia?«
»Ich habe Sachen gesehen … schlimme Sachen. Die kamen wie ein Sturm. Und jetzt bin ich hier. Wie bin ich hier hingekommen?«
»Alles ist gut«, sagte sie und rieb mir den Arm. »Ich habe dich von der Pfirsichfarm nach Hause gebracht.«
Ich sah mich in dem Zimmer um. »Aber wie bin ich in dieses Bett gekommen?«
Tante Tootie legte den Kopf schief. »Das haben wir beide zusammen geschafft, Schatz. Wir sind die Treppe hochgestiegen, und ich habe dich ins Bett gesteckt. Jetzt sag mir, was du gesehen hast.«
Ich schloss die Augen und sagte: »Ich habe den Tag gesehen, an dem Momma gestorben ist. Wie einen Film. Als der Eiswagen sie angefahren hat, hat es einen fürchterlichen Bums gegeben, und dann habe ich sie auf der Straße liegen sehen. Das hat mir so wehgetan … überall. Dann bin ich in ein schwarzes Loch gefallen. Mehr weiß ich nicht mehr.«
Tante Tootie schnappte nach Luft und hielt sich die Hand vor den Mund. »Cecelia, heißt das, du warst dabei , als deine Mutter gestorben ist?«
Ich schluckte und schüttelte den Kopf. »Nein, ich war nicht dabei. Ich war zu Hause. Aber ich habe im Kopf alles so gesehen, als wenn ich bei ihr gewesen wäre. Und dieser Bums, den habe ich ja gar nicht gehört, aber ich habe ihn im Kopf gehört, als hätte ich ihn echt gehört.«
Mir stiegen Tränen in die Augen. »Es war meine Schuld. Sie wollte, dass ich mitgehe zum Wohltätigkeitsladen, aber ich habe Nein gesagt. Und ich habe ganz gemeine Sachen zu ihr gesagt.«
»Oh Schatz. Das ist es also?« Tante Tootie steckte die Decke um mich fest und nahm meine Hand. »Du kannst nichts für den Tod deiner Mutter, Cecelia. Das kannst du mir wirklich glauben. Die menschliche Seele ist ein erstaunliches Ding. Sie beschützt uns, wenn wir uns nicht selbst beschützen können. Aber manchmal, wenn etwas wehtut, und es wird zu schwer oder geht zu tief, dann muss man dem Schmerz nachgeben, sich umhauen lassen und sich bis ganz unten ziehen lassen. Wenn man unten angekommen ist, bleibt man für eine Weile dort und ruht sich aus. Und dann, wenn der Schmerz nachlässt und man sich der Welt wieder stellen kann, dann kommt man wieder hoch.«
Sie beugte sich zu mir herunter, nahm mich in den Arm und hielt mich lange fest. Dann setzte sie sich auf und sah mir ins Gesicht. »Gestern Abend habe ich Gertrude angerufen. Wir haben lange miteinander gesprochen.«
»Mrs Odell? Du hast mit Mrs Odell gesprochen?«
»Ja. Ich wollte wissen, ob sie irgendetwas über deine Krankheitsgeschichte weiß. Ich
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