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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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eine eigene Meinung über die fachgerechte Ausbringung von Düngemitteln zu äußern. »Du wirst hier in Taliesin bleiben und dich von Reportern fernhalten, solange ich es wünsche. Hast du mich verstanden?«
    Verstanden? Er sprach doch englisch, oder nicht? Aber hatte er sie verstanden? Sie ließ sich nicht gern etwas diktieren. Das hatte Emil bereits versucht, und damals war sie noch ein junges Ding gewesen. Er hatte es sein Leben lang bereut. Und René ebenfalls. Sie führte das Glas zum Mund und ließ den Geschmack der kalten, klaren Flüssigkeit - den Geschmack von Frankreich, den Geschmack der Kultiviertheit - ihre Kehle, ihre Nerven und auch ihre Missstimmung umschmeicheln. Sie machte sich nicht die Mühe zu antworten.
    Am nächsten Morgen sattelten sie zwei Pferde und unternahmen einen gemeinsamen Ausritt über die Hügel. Alles war schön und wie neu erschaffen, und die Bewegung und die frische Luft ließen den schlechten Nachgeschmack des Vortages verfliegen. Er war ein hervorragender Reiter, und das erfüllte sie wieder mit Stolz auf ihn. Sie ritten, eine leise Brise im Gesicht, im leichten Galopp über die Felder und waren der Welt vollkommen entrückt - sie hätten Heathcliff und Catherine sein können, die im wilden Überschwang ihrer problematischen, dem Untergang geweihten Liebe über die Heide galoppierten. Es war belebend. Erfrischend. Und als Franks Mutter ihre Höhle verließ, um mit ihnen zu Mittag zu essen, machte das Miriam kaum etwas aus. Auch der Nachmittag war angenehm. Sie verbrachte ihn größtenteils lesend am Kamin, während Frank und einer der Männer nach Madison fuhren, um dies und das zu besorgen, und sie war so versunken in ihr Buch, so gefesselt von der Geschichte, die vor ihrem inneren Auge ausgebreitet wurde (zwei Männer und eine Frau, das mitternächtliche Stelldichein, Blut und Ehre und der scharfe Knall der Peitsche des Vaqueros, als die Liebenden im Schutz der argentinischen Nacht flohen)*, dass sie kaum aufsah, als er zurückkehrte. Es dauerte einen Augenblick, bis sie seine Anwesenheit zur Kenntnis nahm, und das tat sie auch erst nach einer kleineren Störung: Sein Schatten fiel über ihr Buch, als er vor ihrem Sessel stand.
     
    * O 'Flaherty-San dachte hier vielleicht an The Wild Pampas (Boston, 1915) von H. (Harriet) R. R. Fleck, eine von Miriams Lieblingsautorinnen.
     
    Er hatte Hut und Mantel noch nicht abgelegt, und sein Gesicht war grimmig. »Sie haben die Briefe gedruckt«, sagte er und ließ die Zeitung in ihren Schoß fallen. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und stolzierte wortlos hinaus.
    Verärgert wollte sie weiterlesen, doch die Wörter begannen zu tanzen und sich zu dehnen, so dass sie gar keinen Sinn mehr ergaben, also legte sie das Buch beiseite und griff nach der Zeitung.
    Die Schlagzeile - sie explodierte förmlich vor ihren Augen und sandte Funken und Raketen in die entlegensten Bereiche ihres verstörten Geistes - ließ sie nach Luft schnappen: MIRIAMS BRIEFE AN WRIGHT SPRECHEN VON GLÜCK UND VERZWEIFLUNG.
    Dergleichen hatte sie noch nie erlebt. Ihren Namen dort zu sehen, ordentlich gedruckt, war natürlich ein Schock, doch es war auch noch mehr, etwas Undefinierbares, und selbst als sie den Untertitel las (Die verschmähte Frau - ihre Not, ihre Tränen), spürte sie die Faszination, die davon ausging. Plötzlich, über Nacht, auf einen Schlag, war sie berühmt. Plötzlich kannten sie Tausende, Hunderttausende. Sie war Frank Lloyd Wrights Geliebte, und die ganze Welt wusste es - sie war nicht mehr verschmäht.
    Dieses Wissen erregte sie, jede Fiber und Zelle ihres Körpers war davon durchdrungen, und wenn sie sich im Exil befand, wenn der Himmel dort draußen so stumpf und schmutzig und deprimierend wie ein alter Blechtopf in der Küchenspüle war - was machte das schon? Hier waren ihre Worte, ihre eigenen Worte, und die ganze Welt konnte sie lesen!
    Während sie weiterlas - ja, sie besaß tatsächlich ein literarisches Talent, sie hatte eine echte Begabung für das geschriebene Wort, das musste sie zugeben -, bedauerte sie unwillkürlich gewisse kleine Ungeschicklichkeiten. Hatte sie Frank wirklich als einen »jämmerlichen, verbitterten alternden Mann« bezeichnet? Hatte sie wirklich geschrieben: »Ich gehe - Deine Sicherheit ist also nicht mehr >bedroht<. Lebe Dein Leben so armselig, wie Du willst«? Oder: »Du willst nicht BESESSEN (IM BESITZ) von Liebe, von Zärtlichkeit, Güte und Hingabe sein, aber Du BIST besessen von einer Tyrannei,

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