Die Frauen
SCHLANGE DER HEUCHELEI
Die Stimmung beim Abendessen war gedämpft. Es gab eine kürzlich geschossene Ente im eigenen fettigen Saft, dazu ein halbes Dutzend Beilagen, deren einzige identifizierbare eine Art Kartoffelgericht zu sein schien, das unter etwas begraben war, was wie Unkraut aus dem Straßengraben aussah, das alles zubereitet von der unförmigen, trampeligen Frau eines der Arbeiter und in deckellosen Schüsseln serviert von der ungeschickten kleinen Sechzehnjährigen. Es war nur für drei gedeckt - die kleinste Tischgesellschaft, seit sie nach Taliesin gekommen war. Nicht dass ihr das etwas ausgemacht hätte - es war nur so, dass in einer größeren Runde angeregtere Unterhaltungen möglich waren, und angeregte Unterhaltungen milderten die erdrückende Langeweile, die hier herrschte. Franks Söhne waren, da der größte Teil des Wiederaufbaus erledigt war, längst wieder bei ihren Frauen, und der Architekt, der zu Besuch geweilt hatte, war mit seiner Frau nach Deutschland - oder Österreich? - zurückgekehrt. Paul Mueller leitete das Büro in Chicago, und Russell Williamson und die anderen Zeichner waren zu einem Konzert nach Madison gefahren. Das dritte Gedeck war für Franks Mutter bestimmt, doch die war erzürnt über die Zeitungsartikel und weigerte sich, ihr Zimmer zu verlassen.
»Tja, wie es aussieht, werden wir beide allein essen«, sagte Frank und hob sein Glas - reines, unverfälschtes Brunnenwasser - zu einem Toast. »Auf uns.« Pflichtschuldig stieß sie mit ihm an und zwang sich zu einem Lächeln. In ihrem Glas, das sie persönlich gefüllt hatte, bevor Frank an den Tisch gekommen war, befand sich ein frischer, trockener Chablis, den sie bei ihrem Weinhändler in Chicago gekauft hatte und dessen Blume sie für einen Augenblick über den Atlantik und in die Weingärten von Burgund versetzte, zurück zu jenem längst vergangenen Herbsttag, als sie frisch in René* verliebt gewesen war, der sich nach Emils Tod so wunderbar liebevoll um sie gekümmert hatte. Bis er sich als gemein erwiesen hatte. Und treulos. Wie alle Männer, wenn man ihnen auch nur den Ansatz einer Gelegenheit dazu gab. Dieser Gedanke verschlechterte ihre Stimmung, und ihr Lächeln verschwand abrupt. Sie sah Frank streng an.
* Nachname und Herkunft unbekannt. Vielleicht handelt es sich um den Liebhaber, auf den sich Miriams Andeutungen über ihre »tragische Liebe« beziehen, möglicherweise um ebenjenen, den sie mit einem Messer angegriffen hatte. Siehe Fußnote Seite 113.
»Wie ich schon sagte: Wir können es uns nicht leisten, die Presse noch mehr anzustacheln, als es bereits der Fall ist - dank Mrs. Breen. Zum Teufel mit dieser Frau. Tut mir leid, das sagen zu müssen, aber so ist es. Sie trägt die Schuld an dieser Angelegenheit, und das Verfahren wegen Verstoßes gegen den Mann Act wird gewiss eingestellt werden, weil es eine reine Absurdität ist. Was mich ärgert - nein, was mich wütend macht -, ist dieser schäbige Versuch, deinen Charakter in Frage zu stellen, und das muss aufhören.« Er sah von seinem Stück Ente auf und seufzte. Die Sorgenfalten um seine Augen vertieften sich. »Und darum habe ich meine Mutter gebeten, noch zu bleiben. Jedenfalls so lange, bis Gras über diese Sache gewachsen ist.«
»Das ist falsch, Frank, und das weißt du.«
»Falsch oder nicht, ich werde nicht zulassen, dass die Presse über dich herfällt - oder über mich. Wieder mal über mich. Wenn ich Aufträge bekommen soll, und du weißt sehr wohl, wie angespannt meine gegenwärtige Situation ist, dann darf es kein Gerede oder auch nur den Hauch eines Skandals geben. Die Briefe werden weiß Gott schon peinlich genug sein.«
Sie war ruhig, ganz gefasst, trank von ihrem Wein und sah ihn über den Rand ihres Glases hinweg an, bis er geendet hatte. »Ich will mit ihnen sprechen«, sagte sie, stellte das Glas ab und griff zu Messer und Gabel. Die Ente lag vor ihr. Sie warf einen kurzen Blick darauf - Schichten aus gelbem Fett und stumpfbraunem Fleisch, aufsteigender Dampf, Bratensoße -, dann legte sie die Gabel wieder hin und richtete sie im exakt rechten Winkel zur Tischkante aus, bevor sie fortfuhr: »Ich werde alles erklären. Ich sage dir: Ich werde mich nicht verstecken.«
»Doch, das wirst du.« Sein Ton war barsch und despotisch und gefiel ihr überhaupt nicht. So mochte er mit einem seiner Zeichner sprechen, der einen Teil eines Plans ungenau zu Papier gebracht hatte, oder mit einem Farmarbeiter, der es gewagt hatte,
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