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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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mitleiderregend.
    »>Verdammt    Sie spitzte die Lippen ein wenig und machte große Augen. Miriam sah, dass sie sehr jung war, Anfang Zwanzig oder sogar noch jünger - jung und voller Anmut. Und kokett. Aber lehrte man sie das nicht in Japan? War das nicht ebendas, wofür die Frauen dort überhaupt nur existierten?* »O ja, Wrieto-San«, hauchte sie mit zarter Stimme, »jeden Tag. Immerzu. Auch heute abend. Sie selbst haben es gebraucht.«
     
    * Es erübrigt sich zu sagen, wie ungerecht diese Charakterisierung ist. Meine eigene, verstorbene Frau Setsuko (geborene Takata), die O 'Flaherty-San leider nie kennengelernt hat, war der Inbegriff einer perfekten Ehefrau, eine vollendete Geigerin, Grafikerin und Hausfrau, anmutig, intelligent, schön - eine in allen Belangen gleichwertige Partnerin. Ich werde sie für den Rest meines Lebens mit einem Schmerz vermissen, der so tief und weit ist wie die Kluft zwischen diesem Leben und dem Jenseits.
     
    Und grinsend, flirtend - es machte sie rasend, es war, als würde sie gar nicht existieren, als säße sie nicht ihm gegenüber am Tisch, mit einem ersterbenden Lächeln auf den Lippen - zwinkerte Frank den anderen und besonders Hayashi-San zu (es war ja nicht dienlich, ihn zu irritieren) und sagte, »verdammt« sei ein höflich gemeintes Adverb mit der Bedeutung »sehr«. »Wie in ... ach, ich weiß nicht - Paul, hilf mir mal.« Doch bevor Paul antworten konnte, fuhr Frank fort: »Wie in: >Es ist ein verdammt schöner Abend.< Oder: >Das ist verdammt frische Butter.< Und nach einer Dinnerparty dankt man dem Gastgeber für das verdammt leckere Essen.«
    Takato-San rutschte anmutig auf ihrem Stuhl hin und her, machte große Augen, sah die anderen an, als stünde sie auf einer Bühne - und das tat sie auch, das tat sie ja auch -, und zirpte: »Dann danke ich Ihnen, Wrieto-San und Mrs. Wrieto-San, für das verdammt leckere Essen.«
    Natürlich mussten alle lachen - es war eine so hübsche Darbietung. Frank und Hayashi-San tätschelten sie, als wäre sie ein Hündchen oder Äffchen, das der menschlichen Sprache mächtig war, doch Miriam spürte, obwohl sie grinste, wie Hass sie durchpulste, Hass, der sie auch im Wohnzimmer nicht verließ, wo sie vor dem Kamin saßen und Frank seine Schätze vorführte - insbesondere die Holzschnitte -, um Hayashi-Sans fachmännisches Urteil darüber zu hören, und darauf folgte dann die unvermeidliche Besichtigung des Hauses, die bis nach Mitternacht dauerte und an deren Ende Hayashi-San, trotz aller steifer Höflichkeit, zu gähnen begann.
    »Tja«, seufzte Frank, der den Wink endlich verstand, obwohl sie ihm schon seit über einer Stunde wütende Blicke zuwarf, »Sie sind sicher recht müde - ich weiß ja, wie anstrengend Zugfahrten sein können -, aber vielleicht können wir die Besichtigung morgen früh fortsetzen. Möglicherweise möchten Sie das Haus aus verschiedenen Blickwinkeln von außen sehen. Oder vom Rücken eines Pferdes aus. Wenn Sie wollen, nehmen wir die Pferde. Oder den Wagen. Aber jetzt werde ich Ihnen Ihre Zimmer zeigen ... «
    Man wünschte einander wortreich gute Nacht und machte die rituellen Verbeugungen. Hayashi-Sans Augen verschwanden vor Müdigkeit beinahe in seinem Kopf, die beiden Studenten waren so stumm und gleichmütig wie die Statue des Amida-Buddhas in der Loggia, und die kleine Frau zeigte grinsend ihre Zähne, und schließlich waren sie allein im Schlafzimmer, und Miriam schloss die Tür und ging in den Ankleideraum. Frank hatte zu pfeifen begonnen. Er stand vor dem Spiegel, löste den Knoten der Krawatte und wirkte sehr beschwingt, und dieser Anblick regte sie ebenso auf wie alles andere.
    Er war dermaßen zufrieden mit sich. Frank Lloyd Wright, der große Mann, Umgarner von Fremden, Verführer von Frauen, Gott seines eigenen Universums. Die Nachttischlampe leuchtete sanft. Schatten kletterten an den Wänden empor. Miriam war kurz davor zu platzen.
    »Das lief doch ganz gut, nicht?« sagte er und zog die Jacke mit den langen Schößen und den geschlitzten Ärmeln aus, die aussah wie etwas, das ein Zirkusclown tragen würde, und wer war er eigentlich, dass er von »Parodie« sprach? Sie fuhr herum und starrte ihn an, die nackten Schultern, seinen mächtigen Hinterkopf. Erwartete er wirklich, dass sie sich in Erinnerungen an diesen

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