Die Frauen
Abend erging? In Erinnerungen an ihre öffentliche Demütigung? War er wirklich derart unsensibel?
»Besonders mit Hayashi-San, meine ich«, fuhr er fort und sprach zur Wand. Er zog die Hose aus, stand erst auf dem einen, dann auf dem anderen Bein. »Er war natürlich reserviert, aber so sind die Japaner eben, das ist ihre natürliche Würde. Jedenfalls habe ich gemerkt, dass er von Taliesin und den schönen Dingen, die wir hier gesammelt haben, beeindruckt war ... Yoshitake-San ebenfalls, aber Hayashi ist derjenige, der die Entscheidungen trifft, das sieht man sofort. Nein, ich würde mich nicht wundern, wenn wir in den nächsten Tagen zu einer Vereinbarung kommen würden. Natürlich will ich eine zehnprozentige Provision, plus Reisespesen und Unterbringung im alten Hotel Imperial für uns beide und mindestens drei Assistenten. Und außerdem einen Wagen mit Fahrer, damit wir uns das Land ansehen können und natürlich die Geschäfte ... «
Sie antwortete nicht. Sie kehrte ihm den Rücken, nahm den Schmuck ab, legte ihn auf das Tablett und zog mit einem Ruck den Kamm aus dem Haar. Ihre Hände zitterten. Wie blind er war, wie dumm! Und glaubte er wirklich, sie würde mit ihm in den Fernen Osten reisen, nur um sich dann so behandeln zu lassen?
»Und was hältst du von Takako-San? Ist sie nicht zauberhaft?«
Jetzt war es zu spät, jetzt war das Streichholz entzündet, jetzt. Sie stürzte quer durch den Raum auf ihn zu - er schlüpfte gerade in das Nachthemd, er war ahnungslos, selbstzufrieden, stolz und prahlerisch, der reinste Lothario -, und bevor sie irgendeinen weiteren Gedanken fassen konnte, warf sie sich mit ausgestreckten Händen auf ihn, so dass er, das Hemd über den Kopf gestülpt, rückwärts gegen die Wand taumelte. Es gab einen dumpfen Knall, er schrie überrascht auf und zog das Nachthemd über sein Gesicht. Sie stieß ihn von sich, und er fiel unbeholfen zu Boden. Er war so benommen, so vollkommen überrascht, dass er einfach nur dasaß und zu ihr aufsah. Er war noch nicht einmal wütend, er versuchte nicht einmal, sich zu verteidigen - als wäre er das Opfer einer Naturkatastrophe, eines Erdbebens, einer Lawine. »Was zum -« stammelte er. »Was hast du -«
»Deine kleine Cho-Cho-San«, sagte sie und stand mit geballten Fäusten über ihm. Am liebsten hätte sie ihn getreten wie einen Hund. »Deine kleine Hure. Willst du darum dorthin - wegen den Huren? Wrieto-San?«
»Bist du verrückt geworden?« Er rappelte sich auf und zerrte an dem Nachthemd, als wäre es ein härenes Gewand. Sie wich vor ihm zurück - würde er sie schlagen? Sollte er doch. Es war ihr gleichgültig. Morgen früh würde sie seinen ach so wichtigen Orientalen die blauen Flecken zeigen und sie tragen wie Narben aus einer Schlacht. »Nein!« rief sie. »Du bist verrückt geworden! Aber sag mir, Frank, sag mir: Ist es wahr, was die Seeleute erzählen? Du musst es doch wissen - immerhin hast du ja dort drüben deine erste Frau verlassen, um mit diesen kleinen, nach Fisch stinkenden Geishas mit den Hasenzähnen herumzuhuren, und wenn du glaubst, ich würde mir das bieten lassen, dann -«
»Du weißt ja nicht, was du redest.«
»Sag’s mir«, schrie sie, und es war ihr gleichgültig, ob man sie bis nach Yokohama hören konnte, »stimmt es? Steht der kleine Schlitz bei denen wirklich quer?«*
* Eine grob beleidigende Phantasie der gaijin, die jedes Kommentars unwürdig ist. Es handelt sich dabei um nichts anderes als den Versuch, unser Volk verächtlich zu machen und außerhalb der menschlichen Rasse zu stellen. Dieser Prozess begann mit Commodore Perry, dem ersten Amerikaner, der vom Japan der Feudalzeit berichtete, und hält bis heute an. War Miriam sich tatsächlich nicht zu schade, diese Behauptung aufzugreifen? Ich fürchte, in ihrer wilden Wut kannte sie keine Grenzen. Was nichts entschuldigt. (Der Lektor wollte diesen Satz streichen, aber um der Wahrheit - und O 'Flaherty-Sans - willen soll er stehenbleiben.)
Im Licht des neuen Tages sah sie die Dinge klarer. Gelassener. Sie war zu weit gegangen, das sah sie jetzt ein, aber sie war erregt gewesen, sie konnte nichts dafür. Allerdings hatte Frank gut reagiert - er war im Unrecht, das wusste er -, und er hatte sie in die Arme genommen und an sich gedrückt, bis alle Bitterkeit aus ihr gewichen war, und dann hatte er sie zu Bett gebracht. Und geliebt, wie es kein anderer Mann je getan hatte, nicht einmal René in seinen besten Tagen. Danach war sie erschöpft und
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