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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Materialien, die Vorzüge des Samisen im Vergleich zum Banjo und praktisch alles, was ihm in den Kopf kam, teilhaben ließ und zahllose Witze, Anekdoten und Lieder zum besten gab, dazu Limericks, so alt, dass sie schon im vergangenen Jahrhundert einen Bart gehabt hatten. Das Essen war durchweg katastrophal. Die Köchin hatte sich an einem japanischen Thema versucht: Es gab das übliche Schweinefleisch mit Soße, gebratenen Fisch und gekochten Kohl und dazu weißen Reis in bleichen Häufchen, so unglaublich klebrig, als hätte sie Kaugummi geschmolzen.
    Und die Essstäbchen. Frank hatte sie von Billy Weston aus Kiefernholz schnitzen lassen - als wären Hayashi-San und der ganze Rest der Delegation außerstande, ein Stück Fleisch mit den Zinken einer Gabel zu durchbohren -, und die Japaner starrten sie an, als hätten sie so etwas noch nie im Leben gesehen. Das war nun wirklich lächerlich, oder?
    Frank saß natürlich am Kopf der Tafel und sie an ihrem Platz zu seiner Rechten, gegenüber von Hayashi-San und seiner angemalten kleinen Frau, während Franks Mutter am unteren Ende des Tischs Platz genommen hatte, wo Russell Williamson sowie Paul Mueller und seine Frau sich mühten, ein Gespräch mit den beiden stummen Studenten zu führen, die Hayashi-San mitgebracht hatte. Hayashi-Sans architektonischer Berater Yoshitake-San, ein kleiner, schmächtiger Mann um die Vierzig mit einem absolut unbeweglichen Gesicht, saß zu Miriams Rechten, wandte sich während des Essens immer wieder zu ihr und gab kurze, gutturale Kommentare von sich, die er offenbar aus einem Englischlehrbuch hatte.
    »Guten Abend«, sagte er, als sie sich setzten, und dann wiederholte er diese Phrase mehrmals hintereinander. Sie ging darauf ein und erwiderte den Gruß, bis die Worte beim dritten- oder viertenmal eine vollkommen neue Bedeutung zu bekommen schienen und sie sich beherrschen musste, um sich nicht mit einem »Gute Nacht« von ihm zu verabschieden. »Das Wetter ist schön, nicht wahr?« bemerkte er als nächstes.
    Und dann, nachdem sie sich schweigend Franks Vortrag darüber angehört hatten, dass man Stein aus den natürlich vorkommenden Sedimentschichten brechen müsse, damit er sich intakt in die Landschaft einfüge, räusperte er sich und fragte sie, ob er ihr Feuer entzünden dürfe. »Wie bitte?« fragte sie, und er holte ein Zigarettenetui hervor, bot ihr eine Zigarette an und gab ihr, während Franks Augen missbilligend blitzten, Feuer. Sie lächelte, und Yoshitake-San zündete sich ebenfalls eine an und lächelte zurück.
    Beim Dessert - nach ihrer Zählung der achte Gang - wandte Frank seine Aufmerksamkeit Hayashi-Sans Frau zu. Er nahm doch tatsächlich, während der Tee serviert wurde, seinen Stuhl und stellte ihn zwischen die Stühle von Hayashi-San und seiner Frau. Unwillkürlich setzte Miriam sich steif auf. Natürlich, dachte sie, warum sollte er sie, Lüstling, der er war, nicht anschmachten - sie war schließlich jung. Und hübsch. Auch wenn sie eine Orientalin war. Oh, sie war ein Porzellanpüppchen, diese Frau, eingehüllt in ein schwarzes Seidengewand, auf dem blasse Chrysanthemen elegant vom Saum über ihren Bauch hinauf zu ihren spitzen kleinen japanischen Brüsten rankten, als wäre sie eine zum Leben erwachte Figur auf einem von Franks Farbholzschnitten, und wenn sie etwas sagte, klimperte sie mit ihren überlangen Wimpern und entblößte lächelnd eine Reihe schiefer, zu großer Zähne.* Meist hielt sie den Blick gesenkt, es sei denn, Frank stellte ihr scherzhafte Fragen nach ihrem Kimono oder ihren Eindrücken von Amerika, doch irgendwann wandte sie sich ihm zu und stellte ihm ihrerseits eine Frage, als gehörte das zu der Rolle, die man von ihr erwartete. »Ich würde Sie gern fragen, Wrieto-San« - hier warf sie Miriam einen Blick zu -, »und Sie ebenfalls, Mrs. Wrieto-San: Was bedeutet dieses Wort >verdammt     
    * In meinem Heimatland gilt das als Zeichen von Schönheit. Meine Enkelin Noriko, O ’Flaherty-Sans Frau, hat ebensolche Zähne und ein Lächeln von seltenem und herzerwärmendem Liebreiz.
     
    Frank lachte. Und für Miriam, die es hasste, wenn er einer anderen Frau, irgendeiner Frau, seine Aufmerksamkeit schenkte, denn es war, als würde er sie in aller Öffentlichkeit beiseite schieben, sie beschämen, sie verschmähen, war der Klang dieser Anrede »Mrs. Wrieto-San« wie Musik, und sie ertappte sich dabei, dass sie ebenfalls lächelte. Wie süß, dachte sie. Wie kindlich. Wie

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