Die Frauen
Tokio in einer nagelneuen Mitsubishi-Limousine, die einen Stander mit der Flagge der aufgehenden Sonne führte, hatten Miriam und er eine Suite im alten Hotel Imperial bezogen, einer mitten in der Innenstadt gelegenen dreistöckigen Monstrosität aus Holz, Ziegeln und Stuck, mit Neorenaissancefassaden und feuchten, höhlenartigen Sälen im kitschigen, überladenen Stil des Deutschen Kaiserreichs. Es war ein schimmlig wirkendes Gebäude, für das niemand eine Verwendung zu haben schien, doch wenigstens gingen ihre Räume auf den Innenhof, so dass sie frische Luft und Sonnenlicht haben würden. Franks erste Handlung bestand darin, es sich gemütlich zu machen, denn er konnte, wie er Hayashi-San infolge des Fehlens eines zuverlässigen Dolmetschers recht mühsam erklärte, in einer chaotischen Umgebung einfach nicht arbeiten, und so verlieh er den Räumlichkeiten wie stets, ganz gleich, wie kurz oder lang sein Aufenthalt war, etwas Fließendes, Elegantes. Binnen weniger Tage hatte er einen Flügel organisiert (der für ihn, wie auch ein funktionierender Kamin, unerlässlicher Bestandteil einer Wohnung war) sowie ein halbes Dutzend passender Teppiche und einige anständige Wandschirme und Wandbehänge besorgt und durchstreifte die Geschäfte, in denen man Farbholzschnitte verkaufte.* Trotz der Sprachbarriere - Dömo sumimasen, ukiyo-e arimasu-ka? (Entschuldigung, verkaufen Sie Farbholzschnitte?) fragte er jeden, den er traf - war er wie ein Kind in einem Süßigkeitenladen. Er war endlich an der Quelle angelangt, und in den ersten Wochen schien der Neubau des Hotels beinahe zweitrangig zu sein
.
* Wrieto-San war einer der bedeutendsten Sammler der Welt. Wie wir bereits gesehen haben, benutzte er die Farbholzschnitte als eine Art Zahlungsmittel, mit dem er seine Schulden beglich. Gegen Ende des Jahres 1917 erlöste er vor seiner Abreise nach Japan mit dem Verkauf von Holzschnitten etwa 10 000 Dollar. Mit diesem Geld erwarb er eine weit größere und bedeutendere Sammlung, als irgend jemand in den Vereinigten Staaten sie bisher gesehen hatte.
Aber das stimmte natürlich nicht. Es war der Auftrag seines Lebens. Und sobald er sich eingerichtet hatte, sobald er die Kunsthändler drei-, viermal aufgesucht, neben dem zu bebauenden Grundstück ein Büro eingerichtet und seine Assistenten angewiesen hatte, mit dem Zeichnen der Detailpläne zu beginnen, begannen die Dinners und Teegesellschaften ihn zu ermüden.
Eines Abends saß er wieder einmal in einem Teehaus auf einer makellosen Tatami Matte, während eine Geisha ihn bediente und sein Gastgeber - einer der allgegenwärtigen Bankiers - lange, vom Sake beflügelte und für ihn vollkommen unverständliche Reden hielt. Er beugte sich über den niedrigen Rosenholztisch, setzte ein aufmerksames Gesicht auf und mühte sich, die stechenden Schmerzen in den Knien und im Kreuz zu ignorieren, während Miriam in einem Kimono, den Kopf umwickelt mit einem bestickten türkischen Tuch, in perfekter Haltung und mit elegant untergeschlagenen Beinen neben ihm kniete und beständig nickte und breit lächelte, als verstünde sie nicht nur alles, sondern als nähme sie jedes Körnchen Weisheit, das Tanaka-San auf sie beide niederregnen ließ, mit Ehrfurcht und Dankbarkeit auf. Man war inzwischen beim sechzehnten oder siebzehnten Gang angelangt - Frank hatte den Überblick verloren. Ein Häppchen aus eingelegtem Ingwer, Seetang und rohem Fisch folgte dem anderen, als hätte der Küchenchef den ganzen Morgen damit zugebracht, den Strand und die Tidentümpel abzusuchen und wäre entschlossen, jede in der Bucht von Yokohama vorkommende Spezies, versehen mit einem Spritzer Sojasoße, auf einem Tellerchen zu servieren. Frank sehnte sich nach einem Steak. Er wollte ins Hotel gehen und sich mit Lineal und Winkelmesser an die Arbeit machen, er wollte ein heißes Bad nehmen, anstatt dieses dünnen Tees einen Becher Cider trinken, er wollte Stein brechen und Beton gießen und Herrgott noch mal endlich anfangen. Er fragte sich, ob er gelangweilt aussah. Ob er sich unhöflich verhielt. Seine Gedanken schweiften ab.
Und dann begann, wie durch einen Zauber, eine Stimme zu ihm zu sprechen, in einem so durch und durch amerikanischen Ton, dass er glaubte, er sei wieder in Wisconsin.
Ihm gegenüber und neben Yoshitake-San saß ein Mann von etwa Ende Zwanzig, der während der ausführlichen Begrüßung, der Samisen-Darbietung, der Sake Trinksprüche und der sechzehn oder siebzehn Gänge des Essens
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