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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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geschwiegen hatte.
    Er trug einen Schnurrbart wie Hayashi-San sowie einen schütteren Spitzbart.
    »Erlauben Sie mir, Wrieto-San«, sagte er und verbeugte sich im Sitzen. »Und Mrs. Wrieto-San.« Eine zweite Verbeugung. »Ich heiße Endo Arata. Wir sind uns natürlich im Vorraum vorgestellt worden, doch habe ich bis zu diesem Augenblick keine Gelegenheit gehabt, das Wort an Sie zu richten.«
    Überrascht nickte Frank nur und lächelte. Dann verbeugte er sich seinerseits im Sitzen und murmelte: »Es ist mir ein Vergnügen.«
    Am Kopf der Tafel hatte Tanaka-San innegehalten und geduldig die Hände gefaltet. Der junge Mann sagte etwas auf japanisch zu ihm, und Tanaka-San, ein Mann Mitte Fünfzig, mit einem runden Gesicht, dem es gelang, auszusehen, als sei er, selbst wenn er sprach, unablässig dabei, einen Goldfisch zu verschlucken, grunzte: »Hai. « »Ich könnte, wenn Sie es mir gestatten«, sagte Endo-San und wendete sich mit einer abermaligen Verbeugung wieder zu Frank und Miriam, »als Ihr Dolmetscher fungieren, denn ich habe mir einige Rudimente Ihrer Sprache angeeignet. Tanaka-San war so freundlich zu sagen, und ich bitte Sie, keinen Anstoß daran zu nehmen, denn er wollte Ihnen nur einen Aphorismus, eines unserer altehrwürdigen Sprichwörter nahebringen:
    Deru kugi wa utareru. Und« - ein Blick zu Tanaka-San - »er hat das nicht auf Sie bezogen, sondern auf die westliche Architektur im allgemeinen und die Art, wie gaijin, also Ausländer, seiner Meinung nach Geschäfte tätigen.«
    Mit überaus melodischer Stimme sagte Miriam: »Wie charmant, Endo-San. Und was bedeutet das?«
    »Wörtlich?« Wieder ein Blick zu Tanaka-San. »Es bedeutet: >Der Nagel, der hervorsteht, wird eingeschlagen.<«
    Miriam, ganz die Südstaatenschönheit, sagte in ihrem breitesten Akzent: »Oh, dann bezieht sich dieses Sprichwort auf die Tätigkeit als Architekt?«
    Frank wurde plötzlich hellhörig. Es war etwas im Busch, etwas, das in der Übersetzung verlorengegangen war, eine Mahnung, eine Warnung. Er sah Tanaka-San an, der seine Sakeschale in der Hand hielt, den Goldfisch verschluckte und ernst nickte, bevor er sich wieder zu dem jungen Mann wandte.
    »Eigentlich nicht«, sagte Endo-San und verbeugte sich erneut, während er vorsichtig einen Bogen um die Frage machte. »Es ist eine eher ... allgemeinere Aussage. Sie müssen verstehen, dass Tanaka-San« - ein Blick, eine Verbeugung - »ein Licht auf die japanische Art der Zusammenarbeit werfen wollte. Bei uns steht die Gruppe immer über dem Individuum, und Entscheidungen sind immer Gruppenentscheidungen.
    Seiner Meinung nach« - Tanaka-San unterbrach ihn mit einer gutturalen Erklärung - »sind einige Menschen aus dem Westen das, was wir >Einzelmenschen< nennen, das heißt, es sind Leute, die auf eigene Initiative handeln, ohne sich um die Gruppe zu kümmern. Und er glaubt, dass Sie, Wrieto-San - ich bitte um Vergebung-, kein solcher Mensch sind.«
    Was wollten sie ihm sagen? Er machte ein ausdrucksloses Gesicht und versuchte, die Bedeutung hinter dem Gesagten zu ergründen. Verstanden sie denn nicht, dass der Auftrag, das Imperial zu bauen, ihm ganz allein gehörte? Dass man ihn wegen seines Genies damit betraut hatte, weil er alle anderen Architekten der Welt weit überragte, und dass er keine Einmischung dulden würde? Er sah von einem Mann zum anderen und schließlich zu Yoshitake-San, und dann füllte Miriam die Stille mit ihrer melodischen Stimme und versicherte allen, dass Frank und sie sich über die Maßen freuten, an dieser wunderschönen Abendgesellschaft teilnehmen zu dürfen. Sie dankte ihnen für ihre Freundlichkeit. Und Großzügigkeit. Und die exquisiten und absolut köstlichen Speisen. Sie verstummte und lächelte in die Runde, wobei ein rosarotes Stück Fischrogen einen ihrer Schneidezähne zum Teil verdeckte.
    »Womit ich sagen will, dass ich Ihnen, mit Ihrer Erlaubnis, Wrieto-San, meine Mithilfe in jeder Phase des Projekts anbieten möchte« - Endo-San hielt inne und zwang sich zu einem Lächeln -, »und zwar als Dolmetscher wie auch, im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten, als Berater.«*
     
    * Arata Endo ist natürlich der berühmte japanische Architekt, der später unter anderem das Minamisawa Gebäude in Jiyu Gakuen sowie das Hotel Koshien entwarf. Er wurde ein guter Freund und enger Mitarbeiter von Wrieto-San und war eine unschätzbare Hilfe als Vermittler zwischen Wrieto-San - der, milde ausgedrückt, tatsächlich ein wenig herrisch sein konnte -

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