Die Frauen
sich die langweiligen, feuchten Tage im Einerlei der grauen Wellenkämme vertreiben konnte, und so verbrachte sie schließlich einen großen Teil der Überfahrt damit, sich zu amüsieren.
Und warum auch nicht? Sie hatte in Tokio alles mögliche für ihn getan, sie hatte den Plan aufgegeben, sich künstlerisch zu betätigen, und ihm bei allem geholfen, angefangen von den Entwürfen für die Stoffe, die im Hotel verwendet werden sollten, bis hin zur Auswahl des Geschirrs und der Bestecke (es würde auf gar keinen Fall Essstäbchen geben, die Ausrichtung des Hotels würde rein westlich sein), und sie hatte dafür gesorgt, dass er auf der Hut war, und ihn auf die Nuancen im Auftreten von Hayashi-San, Baron Ökuras und den anderen hingewiesen. Mrs. Wrieto-San. Sie hatte ihre Pflicht getan.
Und dann waren sie in Los Angeles, wo Frank mit einem weiteren Sohn - Lloyd - ein weiteres Büro eröffnete, denn John war in Tokio zurückgeblieben, um die Vorbereitung des Grundstücks für die Bauarbeiten im kommenden Jahr zu beaufsichtigen. Frank hatte den Auftrag übernommen, auf einem Hügel eine Art aztekische Festung für eine pausbäckige Erbin zu bauen, die sich für eine Schauspielerin hielt*, und Miriam hatte nichts dagegen, solange die Dame ihre Finger von Frank ließ. In Los Angeles gab es Palmen und Strände, und das Beste war, dass Leoras Mann, der Börsenmakler in Chicago gewesen war, sich zur Ruhe setzte und die beiden dabei waren, ein Haus in Santa Monica zu kaufen. Natürlich erforderten Franks Geschäfte - er stand finanziell wie beruflich stets am Rand der Katastrophe - eine Unzahl von Reisen zwischen Los Angeles, Chicago, Taliesin und Oak Park, wo die Bank drohte, das Haus seiner Frau versteigern zu lassen, weswegen er verzweifelt seine kostbaren Holzschnitte verkaufte, um das nötige Geld aufzubringen. Sie versuchte, gute Miene dazu zu machen, aber es belastete unvermeidlich ihre Nerven. Allmählich hatte sie das Gefühl, dass sie mehr Zeit an Bord von Zügen verbrachte als die schwarzen Gepäckträger, doch ihr Arzt untersuchte und beruhigte sie und verschrieb ihr genau das Linderungsmittel, das sie brauchte. Und kaum hatte sie sich erneut eingelebt, ging es wieder nach Japan, zurück zu dem rohen Fisch, den trippelnden Geishas, den Katzbuckeleien und dem einzigen Ehrentitel, den sie an- oder übernehmen wollte: Mrs. Wrieto-San.
* Es handelte sich um Aline Barnsdall. Ihr Anwesen wurde, wie jeder architektonisch Bewanderte weiß, nach den Stockrosen, die auf dem Hügel wuchsen, Hollyhock House genannt.
Irgendwann - und rückblickend wusste sie nie genau, bei welchem Japan-Aufenthalt es gewesen war** - wurde Frank ernstlich krank. Es war im Frühling, soviel wusste sie noch, denn sie waren mit Baron Ökuras, der Prinzessin und einigen anderen (und hier stieg aus den Tiefen ihrer Erinnerung der Name Olga Krynska wie ein dunkler Knoten aus Hass und Neid empor) auf dem Lande und sahen sich die Kirschblüte an, die sich gerade auf dem Höhepunkt befand. Für die Japaner, ein Volk von kleinen, altmodischen Menschen, die so sehr im Einklang mit der Natur und dem Wechsel der Jahreszeiten lebten, dass sie ebensogut eine Nation von Satyrn und Waldnymphen hätten sein können, war sakura, die Kirschblüte, einer der Höhepunkte des Jahres, und vom armseligsten Bewohner der Elendsviertel bis hinauf zum Kaiser ließ es sich jeder angelegen sein, dieses Ereignis zu feiern. Als der Baron vorschlug, sich auf seinen Landsitz zu begeben, um dort den Anblick der blühenden Kirschbäume zu genießen, war Frank, der bis dahin inmitten von Lärm und Staub geschuftet hatte, während eine Armee von Steinmetzen das eigenartige Vulkangestein bearbeitete, das er unbedingt für den Bau des Hotels verwenden wollte, bereit, eine Pause einzulegen. »Wie wär’s mit einem kleinen Ausflug aufs Land?« fragte er Miriam. »Warum nicht?« sagte sie, denn trotz der illustren Gesellschaft war Tokio eine hässliche, überbevölkerte Stadt aus niedrigen Gebäuden, und der Lärm und der Gestank begannen ihr auf die Nerven zu gehen, besonders jetzt, da sie sich gezwungen sah, die Fenster geöffnet zu halten, damit es in den Räumen nicht zu stickig wurde. Ein Aufenthalt auf dem Land erschien ihr genau richtig.
** Zwischen 1917 und 1922 unternahmen sie fünf Reisen nach Japan und blieben insgesamt vierunddreißig Monate. Nach der fünften Reise kehrte Wrieto-San leider nie mehr in mein Heimatland zurück.
Am ersten Tag war der
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