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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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und den Investoren. Ohne ihn hätte Wrieto-San, trotz seines Charismas, die zahllosen Missverständnisse und die Kostensteigerungen im Verlauf des Projekts wohl kaum überstanden.
     
    Während Frank auf dem Rückweg im Wagen etwas unwirsch war - »Du lieber Himmel, glauben die etwa, sie haben jemanden eingestellt, der ihnen zu Diensten zu sein hat?
    Wenn sie einen Lakaien wollten, warum haben sie das verdammte Ding nicht von einem ihrer eigenen Architekten planen lassen, von Yoshitake oder Endo oder von diesem Kerl da drüben mit dem Strohhut und der schmutzigen yukata, der aussieht, als könnte er einen Job gebrauchen?« -, schwebte Miriam auf einer Wolke heiterer Zufriedenheit. In den Augen einer ganzen Nation war sie Mrs. Wright, man erwies ihr die Ehrerbietung und den Respekt, die sie verdiente, sie erhielt Einladungen der höchsten japanischen und ausländischen Kreise, und wenn sie in ihrer Heimat noch nicht Mrs. Wright war, weil Franks starrsinnige Frau nicht in eine Scheidung einwilligte, nun, so würde sie es irgendwann doch sein. Und das Hotel war zwar düster, doch der Service war wirklich erstklassig: Man hatte ihnen einen Wagen mit Fahrer sowie zwei Diener zur Verfügung gestellt. Gewiss, die Straßen hierzulande bestanden aus Lehm und verwandelten sich in Schlamm, sobald es regnete, was einigermaßen schockierend war, Automobile waren so selten wie Sternschnuppen, und das Essen - Nudeln, Miso und dreimal täglich Fisch in dieser oder jener Form - war keineswegs, was sie erwartet hatte (was hätte sie nicht für eine Charcuterie oder gar ein Bistro gegeben), doch das Klima war angenehm und die Gesellschaft im Vergleich zu dem, was Chicago zu bieten hatte, eine enorme Verbesserung.
    Sie dachte daran, dass sie morgen abend bei dem Grafen und der Gräfin Lubiensky aus Polen eingeladen waren, die ein überaus charmantes kleines Haus und einen überaus charmanten Freundeskreis besaßen, zu dem unter anderem die russische Prinzessin Tscheremissinow und Graf Ablomow und seine Gemahlin gehörten, eine sehr hübsche Frau, auch wenn sie sich ein wenig altmodisch kleidete - hatte sie neulich tatsächlich eine Turnüre getragen? -, als der Wagen vor dem Hotel vorfuhr und Frank, ungeduldig wie immer, hinaussprang und kaum warten konnte, bis sie ebenfalls ausgestiegen war, damit er ihren Arm nehmen konnte, als wollte er sie ins Haus zerren. Die Nacht war klar und kalt. Es hing ein säuerlicher Rauch in der Luft, der von den Kohlenbecken stammte, mit denen die Japaner ihre Füße wärmten - hier waren die Wände ja aus Papier, es gab keine Zentralheizung, jedes Haus war so kalt wie ein Eisschrank, und Kamine existierten natürlich ebenfalls nicht, denn sonst würde ja alles ständig bis auf die Grundmauern abbrennen -, und der alles durchdringende Geruch nach Fisch in all seinen Erscheinungsformen. Überall sah man Lampions aus rotem Papier, die in der leisen Brise schaukelten. Die Lichter des Hotels. Am Firmament die Sterne. Als sie auf dem Fußweg zum Eingang gingen, bemerkte sie die Sänften am Straßenrand - es mussten fünfzig oder mehr sein - und die Kulis, die daneben warteten. Offenbar wurde im Ballsaal gefeiert, die gehobene Gesellschaft vergnügte sich und tanzte zur Musik eines Orchesters wie überall auf der Welt, wie in Paris, New York oder Memphis. Bei diesem Gedanken blieb sie stehen. Sie löste sich von Frank, um einen Augenblick nur dazustehen und die Fremdheit in sich aufzunehmen.
    Musik drang an ihr Ohr, eine sonderbare, klingelnde Musik, unterlegt mit einem hüpfenden Rhythmus, der die Melodie in eine gänzlich andere Richtung zu ziehen schien, nämlich in die Tiefen eines wogenden Meers, und doch schön, so unerwartet und perfekt. Miriam fühlte sich frei, sie hatte Muße - alle Blicke waren auf sie gerichtet, alle Männer drehten sich nach ihr um -, und ihr wurde bewusst, dass ihr dieser Ort, dieser Augenblick, diese Menschen gefielen. Sie hätte für immer hierbleiben können, im sanften Schwingen dieser japanischen Nacht.
    »Miriam? Was tust du da? Komm bitte.« Frank war fünf Schritte vorausgeeilt, drehte sich jetzt um und sah sie verärgert an. Er war ungeduldig, immer in Eile, um etwas in Bewegung zu setzen, etwas zu machen und zu tun. Die endlosen Gesellschaften enervierten ihn, das gezwungene Lächeln, seine Unbeholfenheit im Umgang mit der Sprache, die zahllosen Trinksprüche, der Reiswein, den er verabscheute und den er nur vorgab zu trinken.
    »Haben wir es denn eilig? Ist das hier

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