Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
Bodenfliesen. Ich folgte ihm. Der Verkäufer - ein Babbitt-Typ, korpulent, überschwenglich und selbstgefällig - kam aus seinem Büro in den Ausstellungsraum gerauscht wie ein Linienschiff auf hoher See, die Hand zum Gruß ausgestreckt. Er sah sofort, dass Wrieto-San ein großer Mann war, ein Ausbund an Lebenskraft und Energie, ein Prinz unter Männern, aber ich bin mir nicht sicher, ob er ihn gleich erkannte.
    »Ja«, sagte Wrieto-San und musterte die Hand des Mannes kurz, ehe er sie ergriff. »Ich bin wegen dieses Wagens hier.« Er zeigte mit seinem Stock auf den Zephyr, der in seiner ganzen aerodynamischen Schönheit dastand, mit seinem chromblitzenden Kühlergrill, der an die gebleckten Zähne eines Raubtiers erinnerte, den Schürzen, die das ausgeformte Chassis verlängerten, dem herrlich langgezogenen Innenraum. Es war ein grandioses Fahrzeug, elegant und brutal zugleich, und unter seiner Motorhaube verbarg sich der unvergleichliche 12-Zylinder-Motor, der die Kilometer nur so fressen und die Konkurrenz zu schimmernden Pünktchen im Rückspiegel reduzieren würde. Ich sah dieses Auto und wollte es haben. Jeder hätte es haben wollen. Es war der Inbegriff automobiler Perfektion.
    »Gut!« Der Verkäufer rieb sich voll Vorfreude auf seine Provision die Hände, und dann erging er sich in einer so hemmungslosen, nicht enden wollenden Lobrede auf die Verlässlichkeit und die besonderen Eigenschaften des Wagens, dass Wrieto-San ihm schließlich gereizt ins Wort fiel.
    »Könnte es sein, dass Sie mich nicht erkennen?« fragte er. »Ja, äh« - der Verkäufer stockte -, »doch, natürlich.«
    Jetzt hörte ich meine eigene Stimme, obwohl ich mir vorgenommen hatte, nichts zu sagen und wachsam zu sein. »Mr. Frank Lloyd Wright«, sagte ich und musste mich zurückhalten, um mich nicht zu verbeugen.
    Der Mann schlug sich vor die Stirn. »Mr. Wright«, sagte er feierlich, als spräche er ein Gebet, »natürlich, natürlich. Es ist mir eine Ehre, Sir, eine große Ehre.« Und dann schütttelte er Wrieto-San abermals die Hand.
    Als er fertig war, ausgiebig gegrinst, sich gewunden, sich mit der Hand durchs Haar gefahren und seine Krawatte zurechtgerückt hatte, starrte er Wrieto-San erwartungsvoll an, und der wiederum blickte mit einer seiner patentierten Mienen (diese nannten wir Schüler gern die »Boa-constrictor-schluckt-die-Ratte«-Miene) zu mir und wandte sich dann wieder dem Verkäufer zu. »Ich möchte zwei davon«, erklärte er. »Und ich möchte, dass sie hier gekappt werden« - sein Stock sauste durch die Luft und vollführte einen imaginären Schnitt von der Windschutzscheibe bis zum Heckfenster -, »damit Verdecke aufmontiert werden können.« Er hielt inne. »Und natürlich müssen sie ziegelrot lackiert werden«, fügte er dann hinzu und wandte sich zu mir um. »Sie haben das Farbmuster doch dabei, Tadashi?«
    »Ja, Wrieto-San«, sagte ich, und diesmal verbeugte ich mich wirklich und reichte ihm das Blatt mit dem roten Quadrat.
    Da das Geschäft damit abgewickelt schien, wandte sich Wrieto-San zum Gehen, doch noch ehe er fünf Schritte getan hatte, blieb er wieder stehen. »Ach so«, sagte er, und seine Stimme klang so selbstbewusst wie die eines Senators im Wahlkampf. »Ich möchte sie noch diesen Monat haben. Und ich werde nicht dafür bezahlen. Das verstehen Sie doch?«
    Wir zogen großen Nutzen aus diesen Autos. Sie waren genauso stark und robust – und natürlich auch so elegant - wie die Werbung behauptete. Und sie eigneten sich besonders für längere Fahrten - nach Arizona und dann, als wir Ende der dreißiger, Anfang der vierziger Jahre mit dem Bau des Florida Southern College, der Community Church in Kansas City, dem Haus der Sturges in Kalifornien und einer Reihe anderer Projekte an abgelegenen Orten beschäftigt waren, auch zu Kunden und Baustellen.
    Und natürlich war ihre Leistungsfähigkeit um so befriedigender, als Wrieto-San keinen Cent für sie bezahlt hatte und das auch nicht von ihm erwartet wurde. Genau wie er es sich ausgerechnet hatte, war die Firma Lincoln hocherfreut, damit werben zu können, welche Automarke und welches Modell der bedeutendste Architekt der Welt fuhr.
    Diese Anekdote, die sowohl Wrieto-Sans Charisma als auch seine Dreistigkeit illustriert, bringt mich zu dem düstersten Abschnitt meiner Zeit bei ihm, wenn man die Meinungsverschiedenheit wegen Daisy einmal beiseite lässt. Ich rede hier von Begebenheiten, die weit über das hinausgingen, was irgend jemand in Taliesin oder

Weitere Kostenlose Bücher