Die Frauen
Tsuchiura Kameki, nicht ein guter, ehrenwerter japanischer Zeichner -« »Und die Prohibition ist gar nicht so eine üble ... « begann Frank, doch dann sah er die drei an und musste selbst lachen. »Aber vielleicht« - mit einem demonstrativen Augenzwinkern legte er das Schüreisen wieder auf den unbearbeiteten Stein der Kamineinfassung - »sind es ja die Schweizer und Österreicher, auf die wir ein Auge haben müssen, was meinen Sie, Kameki?«
Die Neutras und die Mosers waren gerade in den Raum geschlendert, angeregt auf deutsch plaudernd, und Werner Moser griff den letzten Satz auf und fragte: »Was wirft man uns Österreichern und Schweizern denn vor?«
»Sex«, sagte Kameki. »Guten, sauberen, offenen und - was war es noch, Wrieto-San - zivilisierten Sex.«
Weiteres Gelächter. Gelächter in der ganzen Runde, nur Dione Neutra schien verwirrt, bis Frank wieder das Wort ergriff, nun plötzlich mit nüchterner Miene - oder ernst, das war es. Ernst. Er hatte seinen Spaß an dem Geflachse gehabt - er war die Leichtherzigkeit in Person, der überschwenglichste Mann, dem Olgivanna je begegnet war, und er begrüßte es, wenn seine Mitarbeiter und Schüler ausgelassen waren -, doch jetzt nahm er wieder die Rolle des Meisters ein und kehrte zu dem zurück, was er eigentlich hatte sagen wollen. Ihretwegen. »Sie wissen doch genau, dass ich von der - wie soll ich es nennen? -, der Freiheit der Japaner in sexuellen Dingen gesprochen habe, von ihrer Sichtweise des Sex als einer wesentlichen und notwendigen Funktion, die durch den Sittenkodex von Kirche und Politik nicht behindert oder ... oder belastet wird. Und diese Sauberkeit. Die Kimonos, das Zelebrieren von Schönheit und Ritual - nehmen Sie zum Beispiel die Teezeremonie. Und das strahlt in alle anderen Bereiche der Gesellschaft ab.«
»Sie sprechen von den Geishas«, hörte Olgivanna sich sagen. Um sie herum schien die Zeit stillzustehen, das Leuchten des Kaminfeuers, die Weihnachtskränze, in denen sich das Licht fing, die großflächigen Fenster mit Blick auf die Nacht und den verwehten Schnee. Geishas, dachte sie. Die Kurtisanen mit ihren Holzschuhen und Kimonos und ihrem glänzendschwarzen Haar. War es das, was er wollte?
»Frauen der fließenden Welt«, sagte Kameki mit sanfter Stimme.
Frank drängte sich an sie, legte ihr den Arm um die Taille, seine Hitze wie ein zweites Feuer, ein transportabler Ofen. »Ja«, sagte er, »die Geishas. Aber keine von denen -jedenfalls keine, die ich gesehen hätte - kann es an Schönheit und Anmut mit Ihnen aufnehmen.«
Und dann sagte jemand: »Na denn«, alle hoben ihre Cider-Gläser, und er sah ihr unverwandt ins Gesicht, hingerissen von diesem Augenblick. Sie schloss die Augen für den öffentlichen Kuss, für Stempel, Siegel und Imprimatur ihres neuen Meisters, und war so entrückt, dass sie das Bild von Georgei - runzelig, bleich, in die grau werdenden Laken und die Festung seines Geistes gesunken - in ihrem Innern verblassen ließ, bis es nicht mehr da war.
Und dann - dann gab es Abendessen, reichliche, einfache Kost und die Sorte Gespräch, die die Welt bereicherte, wobei alle außer Frank mit Akzent Englisch sprachen, mit japanischem, deutschem, montenegrinischem Einschlag - und als sie danach am Kaminfeuer zusammensaßen und Dione Cello spielte und dazu mit der Stimme eines auf die Erde herabgestiegenen Engels Schubert sang, fühlte sich Olgivanna so wohl in ihrer Haut, so unbefangen, dass sie aufstand und für alle tanzte.
Das Lied {1} war ihr nur vage bekannt, doch das machte nichts, denn hier war ein tieferer Rhythmus am Werk, ein Zauber, der sie berauschte. Sie ließ sich in dieses Gefühl hineinsinken, in die harmonische Bewegung, in die Trance der Sufi-Mystiker, in alles, was Georgei sie gelehrt hatte, und brachte es an die Oberfläche ihres Seins, dort, in dem großen Raum in Taliesin, vor dem Kaminfeuer, das prasselte und fauchte zu diesem alles verschmelzenden Schöpfungsakt - und sie tanzte nicht für ein Publikum in irgendeinem Theater, sondern nur für ihn, für ihn allein.
* »Der Elfenkönig« - was hätte passender sein können?
Kapitel 2
MIRIAM, DIE KÄMPFERIN
Keiner der Ärzte konnte ihr helfen, weder in Los Angeles noch in dem Provinzvorposten San Diego, alles Kleingeister, Waschlappen, Händeringer, ein ganzes Heer verweichlichter, bebrillter Kahlköpfe mit panischer Angst vor dem Gesetz - als hätte dieses Gesetz irgendeine Daseinsberechtigung, genauso wie die Prohibition, denn
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