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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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beschleunigte. War er zu alt für so etwas? War er misstrauisch nach allem, was er mit Miriam durchgemacht hatte - und vorher mit Mamah, ja sogar mit Kitty? Falls ihm diese Überlegungen durch den Kopf gingen, verwarf er sie sogleich wieder. Sein Alter bedeutete ihm nichts - er war siebenundfünfzig und gesund wie ein Fisch im Wasser -, und er war einer jener Männer mit ausgeprägtem Sexualtrieb, die eine Frau als Mittelpunkt ihres Lebens brauchten.
    Nach der offiziellen Trennung von Miriam, für die er zu diesem Zeitpunkt bereits seit über einem Jahr nichts mehr empfand, hatte er schon fast geglaubt, diese Frau in dem Schmollmund und den spöttischen Augen einer gewissen Schriftstellerin** gefunden zu haben, und als sich eine Beziehung dann aus diversen Gründen als unmöglich erwies, hatte er eine Studentin von der University of Wisconsin nach Taliesin und in sein Bett geholt. Doch er war nicht zufrieden. Noch nicht. Nicht einmal ansatzweise. Er brauchte Komplikationen. Liebe, ja. Und Sex natürlich. Aber noch etwas anderes, etwas Vielschichtiges, Spannungsreiches, eine Beziehung, die in jeder Hinsicht die Säfte fließen ließ.
     
    * Eine jener eigenartigen überhitzten Formulierungen O ’Flaherty-Sans, die wir hier einmal stehenlassen wollen.
     
    **  Zona Gale, Autorin populärer Kitschromane wie Miss Lulu Bett, damals auf dem Höhepunkt ihres Ruhms und - dies nur am Rande - ihrer Schönheit. Aber sie hielt Katzen und hatte selbst scharfe Krallen. Zudem hatte sie natürlich, wie alle aus der schreibenden Zunft, unrealistische Erwartungen.
     
    Die Sandwiches waren durchweicht, der Tee lauwarm. Albert verschwand. Das Orchester spielte die alten Lieder im verträumt zivilisierten Stil des Vorkriegs-London (Tango, das schon, aber geradezu einschläfernd dargeboten) und ließ die Finger von dem nervösen Nonsens der Flüsterkneipen. Sie unterhielten sich mehr als zwei Stunden lang. Sie tanzten, und in seinen Armen war sie so leicht wie ein Federkissen. Er sagte ihr, dass er weder rauche noch trinke, und ihr machte das überhaupt nichts aus, während zugleich vielen anderen Paaren auf der Tanzfläche die offensichtliche Wirkung von Alkohol anzumerken war und, jedesmal wenn sie aufblickten, hier oder da gerade ein Mann den Tee seiner Begleiterin mit einer klaren Flüssigkeit aus einer Taschenflasche versetzte. Sie teilte seine Meinung, dass der Jazz größtenteils hyperaktiv sei. Und ja, sie liebe Bach, er sei in ihrer Kindheit in Montenegro eine ihrer ersten musikalischen Inspirationen gewesen.
    Er hatte wohl die Augenbrauen gehoben - Montenegro? -, denn sie erklärte ihm, das sei ein Königreich an der Adria und sie stamme aus einer hochgestellten Familie von Kriegern und Richtern. »Wir sind Serben«, teilte sie ihm mit, während sie zuviel Zucker in ihren Tee gab, und dann, als sie ein Gurkensandwich zum Mund führte: »Kennen Sie Serben?«
    »O ja«, log er, »selbstverständlich. Hunderte.« Doch er lächelte dabei - seine blitzenden Augen, sein wehendes Haar - und eilte leichtfüßig weiter: »Und ich warte immer noch auf meinen ersten Auftrag aus Montenegro. Meinen Sie, der König dort braucht vielleicht einen neuen Palast? Im Präriestil? Oder wie wäre es mit einem Lustschloss am heiligen Fluss Alph?« Sein Lächeln wurde noch breiter, als er seinen Scherz beschloss: »Oder ist der in einem anderen Teil der Welt?«
    Am Abend setzte er sie vor der Wohnung ab, die sie mit einigen anderen Anhängern Gurdjieffs - wie sie selbst aus dessen Enklave in Fontainebleau* verbannt - teilte, und am nächsten Morgen war er mit einem Blumenstrauß in der Hand wieder da, um sie zum Frühstück auszuführen. Das war der Anfang eines kunstvolleren Tanzes, eines Walzers, der sie im Dreivierteltakt durch die Flure von Museen, Galerien und Konzerthallen trug, mit kleinen Abstechern zu den stolz präsentierten Häusern, die er in der Stadt und in Oak Park gebaut hatte, und gekrönt von der unvermeidlichen Einladung nach Taliesin.
     
    * Offiziell das »Institut für die harmonische Entwicklung des Menschen« - ein Oxymoron, wie mir scheint.
    *
    Es war Dezember, eine Woche vor Weihnachten. Eine Polarfront war über die Großen Seen vorgerückt, der Himmel farblos. Sie packte - nicht viel, ein paar Sachen für Ausflüge in die Umgebung, Gesellschaftskleidung fürs Abendessen -, brachte ihre Tochter bei ihrem getrennt von ihr lebenden Mann* in Chicago unter und kam allein mit dem Zug, durch die weiß überzuckerten

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